Isabella Ackerl

Isabella Ackerl, Dr. phil., geb.1940 in Wien, Historikerin, Germanistin und Autorin

Isabella Ackerl, Dr. phil., geb.1940 in Wien, Historikerin, Germanistin und Autorin


 

Sergius Pauser (1896-1970)

Ein Wiener Maler

Die österreichische Kunstgeschichte vom Expressionismus bis zur Moderne ist von geradezu überragenden Persönlichkeiten wie Egon Schiele (1980-1918) und Oskar Kokoschka (1886-1980), Herbert Boeckl (1894-1966) oder Max Weiler (*1910) und schließlich von den Künstlern um die Galerie St. Stephan, den Wiener Art Club oder den Wiener Aktionismus geprägt. Selten werden jene Künstler, die etwa zwischen 1910 und 1950 am Höhepunkt ihres Schaffens standen und mit dem Hauptteil ihrer Werke der Neuen Sachlichkeit zugeordnet werden, überhaupt zur Kenntnis genommen. International hat diese Epoche einen sehr geringen Stellenwert. Zumeist handelt es sich um Künstler, die ein wenig abseits vom Zeitstrom stehen. Mittlerweile beginnt man sich national und international mehr für diese Künstler zu interessieren, bestimmen doch solche Sonderentwicklungen die nationale Gesamtentwicklung. Außerdem könnten diese Künstler auch international mit ihren Werken durchaus bestehen.

Der geborene Künstler

Der am 28. Dezember 1896 in Wien geborene Sergius Pauser stellt geradezu einen Prototyp dieser Künstlergeneration dar. Der Maler Pauser fand die Anerkennung seiner Zeitgenossen, er war ein viel beschäftigter Künstler, der mit Malen seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Er war nie ein Revolutionär, eher ein feiner Stimmungsmaler, ein „Gentleman wienerischer Prägung“. Der Schriftsteller Thomas Bernhard (1931-1989) schrieb über Pauser: „Von Sergius Pauser… habe ich Meditationen beispielsweise über Adalbert Stifter gehört, wie ich sie von niemandem gehört habe, er war ein Entdecker der verborgensten Empfindsamkeiten des Poetischen, ein liebevoll-wachsamer Rutengänger über der Landschaft der Weltliteratur, ein Philosoph und ein durch und durch künstlerischer Charakter.“ Und dennoch ist ein Maler wie Pauser heute weitgehend unbekannt, sein Werk mit nur wenigen Beispielen in österreichischen Sammlungen vertreten, eine Reihe von Arbeiten Pausers sind heute infolge Emigration der Besitzer nicht mehr lokalisierbar.

Pauser – er verdankt seinen Vornamen seinem Vater und dieser seinem Taufpaten, dem kaiserlich-russischen Gesandtschaftsattaché Sergius Nirotzmortzoff – wuchs nach dem frühen Tod der Mutter bei seiner Großmutter und nach der Wiederverheiratung des Vaters in Waidhofen an der Ybbs (Niederösterreich) mit einer strengen und Disziplin hochhaltenden Stiefmutter auf. Die künstlerische Begabung dürfte ein väterliches Erbteil sein. Nach einer schweren pubertären Krise, die in einer mutistischen Phase gipfelte, ließ eine österliche Romreise die künstlerische Begabung zum Durchbruch kommen. Nach der Kriegsmatura im Jahre 1915 mußte er wie fast alle seines Alters in den Krieg ziehen, von wo er, schwer erkrankt an Furunkulose und Tuberkulose, zurückkehrte.

Erst 1919 bewarb er sich um Aufnahme an die Kunstakademie in München, wo Carl J. Becker-Gundahl (1856-1915), Ludwig Herterich (1856-1932), Max Dörner (1870-1939) und Karl Caspar (1879-1956) seine Lehrer waren. Vor allem Caspar hatte mit seiner modernen, d.h. expressionistischen Farbauffassung nachhaltigen Einfluß auf Pauser.  Pauser studierte damals bewundernd die Arbeiten von Max Beckmann (1884-1950), Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938), vor allem aber die von Otto Dix (1891-1969). Die künstlerisch sehr lebendige Stadt München ermöglichte ihm auch die Begegnung mit Paul Klee (1879-1940) und seinen Arbeiten sowie mit den Dadaisten. Bilder aus Pausers expressionistischer Phase sind leider kaum erhalten geblieben, er hat sie selbst zum Teil vernichtet oder übermalt.

1924 kehrte er nach Österreich zurück und zog sich mit seiner jungen Ehefrau Anny, geborene Schrey nach Waidhofen zurück, wo er als freischaffender Künstler fortan leben wollte. Nach einer kurzen Lehrzeit bei Karl Sterrer (1885-1972) fand er in der Neuen Sachlichkeit seine eigene Linie. Seine frühen Werke spiegeln klare Wirklichkeit, hohen Ernst und doch sehr sensible, fast schwebende Poesie. Nach zwei Jahren übersiedelte er nach Wien, wo er als freischaffender Künstler mit schweren finanziellen Schwierigkeiten kämpfte und anfangs auf Unterstützung durch seinen Vater und seine Schwiegereltern angewiesen war. 1927 nahm ihn die Künstlergemeinschaft Wiener Secession auf. In dieser Phase entstanden vor allem Porträts und Blumenbilder – sehr ruhige, in sich geschlossene Werke, voll Zartheit und traurig-tragischer Einsamkeit. Licht und Schatten bilden starke Kontraste, Reglosigkeit des Gegenstandes wird durch intensive Sensibilität der Farbgebung ausgewogen. Die Städtische Galerie in Nürnberg erwarb seine „Dame in Weiß“ (1927), für ein weiteres Damenbildnis (Frau Dr. Beck) erhielt er den Ersten Preis bei einem Preisausschreiben – immerhin einen Betrag von 7.500 Schilling. Der Kunstschriftsteller Wolfgang Born schrieb damals über Pauser: „Das Gegenständliche ist erfüllt von Symbolik. Ganz von innen her ist die Vision geholt.“

Eigenes Atelier mit Ausstellungsraum

1928 übernahm Pauser von Albert Paris Gütersloh (1887-1973) ein Atelier in der Vorgartenstraße 140, Ecke Lassallestraße in der Wiener Leopoldstadt, das nicht nur Raum zum Arbeiten, sondern auch für Ausstellungen bot. In dieser Schaffensphase war Pauser fasziniert von der Exotik der nahen Praterwelt mit ihren Schaustellern, von den Originalen, denen man damals noch in diesem Milieu begegnen konnte. Der stets sehr elegante und stilvolle Pauser fand sich in einer Freundesgruppe, der Franz von Zülow (1883-1963), Josef Dobrowsky (1899-1964) und Ernst Huber angehörten, zu gemeinsamen Ausstellungen zusammen. In der Presse erschienen vermehrt sehr positive und würdigende Stimmen über seine Arbeiten. Zu Beginn der dreißiger Jahre präsentierte er seine Arbeiten in Deutschland, in der Schweiz, aber auch in Pittsburgh oder bei Biennalen in Venedig. 1931 erhielt er den Ehrenpreis der Stadt Wien, 1932 zum ersten Mal den Österreichischen Staatspreis.

In diesen erfolgreichen Jahren veränderte sich auch sein Stil, seine Arbeiten werden impulsiver, die Farbe entwickelt Eigengesetzlichkeit, zarte expressionistische Züge stehen dem dominierenden Wunsch nach Harmonie gegenüber. 1935 präsentierte er die doch sehr verschlüsselten drei „Traumbilder“, Werke, die eher durch die farblichen Valeurs Interesse erweckten. Die von Freuds Lehre beeinflußte Botschaft stieß noch auf Unverständnis. In dieser Zeit war Pauser – auch durch Empfehlung von Freunden und Bekannten – ein sehr gesuchter und geschätzter Porträtmaler geworden. Er porträtierte eine Reihe von Persönlichkeiten der Gesellschaft. Auf Reisen nach Italien, Frankreich und in die Schweiz entdeckte er den Reiz der Stadtlandschaften, denen in der Folge ein wichtiger Stellenwert in seinem Œuvre zukam.

Dunkle Jahre

Die Einverleibung Österreichs in das Deutsche Reich veränderte zunächst nur wenig an Pausers Leben, wenn auch eine Reihe seiner Auftraggeber Österreich verlassen mußte. Noch erlebte er bei der Secessionsausstellung im Jahre 1938 einen großen Erfolg. Als er jedoch hörte, daß Hitler in der Münchner Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst einen Wutanfall erlitten und alle seine Werke als „entartet“ bezeichnet hätte, stürzte ihn diese Affäre in eine tiefe Depression und Existenzangst. Als Maler sah er sich außerstande, auf Dauer anderswo zu leben und zu arbeiten. Gleichsam als Tarnung und Schutzschild begann Pauser, intensiver denn je in altmeisterlicher Technik zu arbeiten. Nach einer kurzen Kriegsdienstepisode übernahm er mit März 1943 die Leitung der Meisterschule für Bildnismalerei an der Wiener Akademie für bildende Künste. Sein Verhältnis zum Regime war sichtlich gespannt, denn 1944 wurde er mit anderen „Politisch Unzuverlässigen“ zu Schanzarbeiten nach Radkersburg kommandiert. Der Schauspieler Curd Jürgens (1915-1982), der ebenfalls die Ehre hatte, diesem Transport anzugehören, schrieb in seinen Erinnerungen: „… daß Sergius … recht viel Unangenehmes durchmachen mußte, da die SA-Bewacher mehr und mehr die Nerven verloren und dies an den Gefangenen ausließen.“

Kurz danach zog sich Pauser, in dessen Ehe eine Krise eingetreten war, höchst depressiv nach Waidhofen zurück. Von den russischen Besatzern wurde er dort aufgestöbert und mußte in ihren Diensten tätig sein. Ein Brief des kommunistischen Kulturstadtrates von Wien, Viktor Matejka (1901-1993), konnte ihn loseisen: „Als einen der wenigen Nicht-Parteigenossen in dem vernazten Professorenkollegium der Akademie der bildenden Künste würde ich Sie gerne in Wien begrüßen…“

Beliebter akademischer Lehrer

Pauser kehrte an die Akademie zurück und übernahm auch kurzzeitig die Funktion des Rektors. Die schweren, durch Bomben und Straßenkämpfe verursachten Zerstörungen in Wien haben ihn tief erschüttert. Er reagierte mit dem Bild „Katastrophe. Niemals vergessen“, auf dem ein Engel über einer brennenden Stadt schwebt. Die altmeisterliche Technik behält Pauser bei, er änderte seinen Stil nicht grundsätzlich, trotz der Begegnung mit der europäischen modernen Malerei. Er bemühte sich unendlich, Verständnis für die Unmittelbarkeit des neuen Stils aufzubringen, der alles traditionell Handwerkliche beseiteschob. Im Umgang mit seinen Schülern, die ihn als Lehrer ungemein schätzten, entwickelte er eine beispielgebende Toleranz. Er ließ seinen Schülern – einige davon wurden später unter dem Gruppennamen „Phantastische Realisten“ fast weltberühmt – großen Freiraum, ihre Eigenart zu entwickeln. Er selbst war „unmodern“ geworden und wollte auch so bleiben. Er meinte, daß Themen wie Mensch oder Landschaft – d.h. die Natur als primäre Quelle – immer Gültigkeit besäßen.

Wieder wurde er mit zahlreichen Porträtaufträgen bedacht, u.a. mit den Bildnissen der Bundespräsidenten Karl Renner (1870-1950) und Theodor Körner (1873-1957). 1948 entstand auch das legendäre Porträt des Schauspielers Leopold Rudolf (1911-1978), auch die begnadete Tänzerin Grete Wiesenthal (1885-1970) hielt er auf einem Bildnis fest. Wenige Jahre später schuf er das Bild des Generaldirektors der Österreichischen Nationalbank Hans Rizzi (1880-1968). Dieses großartige Porträt ging bei einem Brand in der Bank im August 1979 zugrunde.

Privat waren die fünfziger Jahre von großen Veränderungen begleitet, am 31. Dezember 1955 heiratete Pauser nach Scheidung von seiner ersten Frau, Angela Müller, mit der er am 1. Jänner 1956 ein von dem modernen Architekten Walter Loos ca. 1930 erbautes Haus in Kritzendorf an der Donau bezog. Drei Jahre später wurde sein Sohn Wolfgang geboren. Diese sehr typische Landschaft der Donauauen nahe Wien faszinierte ihn, eine neue Facette des „Wienerischen“ – die schmalen Heurigengasserln jenseits der Donau – tauchte in seinen Bildern auf.

Mit gemischten Gefühlen berührte ihn die Affäre um das sogenannte „Staatsvertragsbild“. Pauser wurde zunächst beauftragt, ein offizielles Bild der Unterzeichnungsfeierlichkeit im Schloß  Belvedere im Mai 1955 herzustellen. Als er seine Ölskizze vorlegte, soll ein Mitglied der Bundesregierung den Stil Pausers nicht goutiert haben. Der Auftrag ging an Robert Fuchs. Dies löste ziemliche Polemiken in der Presse aus, wobei die Kunstfachwelt voll auf Seiten Pausers stand.

Im folgenden Jahr unternahm er eine große Reise nach China, von der er mit einer Reihe von Werken zurückkehrte, die er in einer Personalausstellung 1957 in der Akademie am Schillerplatz in Wien vorstellte. Die Presse rühmte damals das Atmosphärische seiner Aquarelle, das Schwebende der Farbtöne wurde hervorgehoben.

Zu Beginn der sechziger Jahre erwarb Pauser ein altes Bauernhaus in Traunkirchen und kehrte damit in die so geliebte Berglandschaft seiner Kindheit zurück. Dort fand sich um ihn ein Freundeskreis, dem u.a. die Schriftsteller Thomas Bernhard, Alexander Lernet-Holenia und die Architekten Johannes Spalt (*1920) und Viktor Hufnagl (*1922) angehörten. Der sehr zurückhaltende und nachdenkliche Künstler, dessen Lieblingsschriftsteller Adalbert Stifter (1805-1868) war, verstarb am 16. März 1970 in Klosterneuburg.

Vom 26. Juni bis 8. September 1996 fand in der Österreichischen Galerie im Oberen Belvedere eine Ausstellung von etwa 50 Ölbildern von Sergius Pauser statt. Zur Ausstellung erschien ein umfassender Katalog u.a. mit Beiträgen von Burghart Schmidt, Erwin Mitsch und Regine Schmidt.

 

Bundeskanzleramt, Bundespressedienst, Wien 1997-99

Dr. Isabella Ackerl

http://www.austria.gv.at/service/presfeature/pauser.htm

 Dieser Text ist auch in englischer Übersetzung unter folgender Adresse zu finden:

 www.sergius-pauser.at/home.php/en/