Rupert Feuchtmüller: Sergius Pauser; Edition Tusch, Wien 1977


HERKUNFT UND JUGEND
WIEN, WAIDHOFEN AN DER YBBS, MÜNCHEN

Sergius Pauser wurde wegen seines Äußeren, vor allem aber wegen seiner vornehm zurückhaltenden Art, immer wieder als ein Mann von Adel charakterisiert, als „Gentleman wienerischer Prägung, dessen Distanz Charme hatte“, wie Kurt Moldovan es ausdrückt. „… er sieht Oskar Wilde ähnlich …“, schreibt Heimito von Doderer in seinem Tagebuch am 12. April 1953 nach der ersten Begegnung mit ihm. In diesem Zusammenhang mag es von gewissem Interesse sein, daß sein allerdings nie in Dokumenten aufscheinender Großvater väterlicherseits gräflicher Abstammung war. In der Familie hat sich diesbezüglich eine Aufzeichnung vom Vater des Künstlers erhalten, die folgenden Wortlaut hat: „. . . Mit ca. 17 Jahren erfuhr ich zum ersten Male von meiner Schwester oder Halbschwester, daß sie von unserer gemeinsamen Mutter dahingehend aufgeklärt worden sei, daß ich einem Verhältnis meiner Mutter mit dem aus Görz stammenden und dort ansässigen Pompeo Graf Coronini von Cronberg entstamme …“ Die Großmutter, von der sich also der Name unseres Malers ableitet, stammte aus einem holländischen Geschlecht, das ursprünglich den Namen Paus, zu deutsch: Papst, trug. Sie selbst, Anna mit Vornamen, war Schauspielerin, trat in Wien in Operetten auf und hatte schließlich ein erfolgreiches Engagement in Karlsruhe. Ihr Sohn, der Vater des Malers, der seine Mutter nur Tante nennen durfte, wurde am 21. November 1867 in Wien geboren und starb am 26. Dezember 1941 in Gmunden. Er erhielt seinen Vornamen Sergius von seinem Taufpaten, dem Kaiserlich Russischen Gesandtschaftsattaché Sergius Nirotmortzoff. Am 31. August 1893 heiratete er die um ein Jahr ältere Maria Karoline Mattesič, die am 17. Oktober 1866 in Wien geboren worden ist. Sie, die Mutter unseres Künstlers, entstammte einer Familie von Grenzoffizieren, die bis zurück zu Maria Theresias Zeiten im Banat beheimatet war; ihr Vater, in Kroatien gebürtig, war k. k. Hauptmann. Es scheint fast so, als ob von der Familie Mattesič eine depressive Veranlagung ausgegangen wäre, da wir wissen, daß einer der Brüder seiner Mutter wegen einer Frau Selbstmord beging und ein zweiter nach schwerer Krankheit in einer Heilanstalt starb.

Nach drei Jahren wurde dem Ehepaar Pauser am 28. Dezember 1896 in Wien ein Sohn geboren, nämlich unser späterer Maler, der die Namen Sergius Karl Hermann erhielt. Leider verlor das Kind seine Mutter bereits mit zweieinhalb Jahren. Es wurde zunächst von seiner Großmutter mütterlicherseits erzogen. Als sein Vater kurz darauf im Jahre 1900 eine zweite Ehe mit der Fabrikantentochter Johanna Kien einging – sie wurde am 13. Mai 1872 in Wien geboren und starb am 15. Mai 1929 in Waidhofen an der Ybbs – kam der Knabe wieder in das Haus seiner Eltern. Von übergroßer Liebe der Großmutter und der Tanten verwöhnt, hat sich der kleine Sergius mit seiner neuen Mutter, die als gewissenhaft sorgende, gerechte aber strenge Frau charakterisiert wird, nur schwer abgefunden. Im Jahre 1902 trat er in Wien in die Volksschule ein und übersiedelte 1903 mit seinen Eltern nach Waidhofen an der Ybbs, wo sein Vater als Dentist arbeitete. Noch in der vierten Klasse war der Knabe ein guter Schüler der Landesrealschule, bis sich dann eine schwere Krise ankündigte, an der wohl die Verhältnisse im Elternhaus mit eine Ursache gewesen sein werden. Sein Vater, gleichfalls eine adelige, imponierende Erscheinung, hatte seiner Frau zu manchen temperamentvollen Eifersuchtsszenen Anlaß gegeben, die auf den sensiblen Knaben, der schweigsam geworden war und völlig in sich zurückgezogen lebte, einen tiefen Eindruck machten. Doch liebte er seinen Vater, diesen „glücklichsten Optimisten“, wie er ihn später nannte. Pausers Vater war künstlerisch begabt und hatte seinem Sohn die schönsten Märchenbücher gezeichnet, gemalt und geschrieben.

In der Pubertätszeit brach die Krise aus. Über ein Jahr lang soll der Knabe so gut wie kein Wort zu Hause gesprochen haben. Mit etwa vierzehn Jahren soll er sich sogar Gift beschafft haben, um sein Leben zu beenden. In der fünften Klasse kam es zu der ersten Nachprüfung. Die sechste Klasse mußte er wegen Mathematik, Darstellender Geometrie, Physik, Geschichte und Geographie wiederholen, ja sogar im Zeichnen wurde sein Talent nur mit der Note „genügend“ eingestuft. Die Depression des Knaben beschäftigte nun auch die Ärzte. Auf deren Rat gestatteten die Eltern 1914 eine Osterreise nach Rom, die er mit Kameraden unternahm. Diese Reise brachte die ersten künstlerischen Ergebnisse: Aquarelle, die in Roms Gärten entstanden sind. Diese Blätter waren ihm so gut gelungen, daß er sie auch als Erwachsener noch schätzen konnte.

Nachdem Sergius am 1. März 1915 die Kriegsmatura bestanden hatte, konnte er durch die finanzielle Hilfe des Vaters, von dem er ein eigenes Reitpferd mit Sattelzeug und eine Extra-Uniform bekam, im Sommer 1915 als Einjährig-Freiwilliger zum Train nach Linz einrücken, wo eine leichtere Militärzeit für ihn erwartet wurde. Als Fähnrich zog er nach Rußland, machte 1917 den Rückzug durch die Karpaten mit und kam mit schwerer Furunkulose und offener Tuberkulose ins Lazarett nach Gossensaß und später nach Meran. Schon während des Krieges war seine Liebe zur Malerei immer wieder zum Durchbruch gekommen. So soll er während seines Aufenthaltes in der Linzer Garnison Menschen aus dem Armenhaus gezeichnet haben.

Als der Krieg zu Ende war, wandte sich Pauser nach kurzen Versuchen an der Technischen Hochschule Wien als Architekturstudent und nach einem Kurs in der Malschule Fröhlich am Wiener Getreidemarkt an die Akademie in München, wo er am 31. Mai 1919 aufgenommen wurde. „Das kann ich auch nicht besser machen“ soll das Urteil seines Prüfers gelautet haben, als er die Aufnahmsarbeit des jungen Malers, einen männlichen Akt, zu bewerten hatte.

Pausers Lehrer in München waren der Historienmaler Carl Johann Becker-Gundahl (1856 – 1925), bei dem er die Zeichenklasse besuchte, und Ludwig von Herterich (1856 – 1932), der ebenfalls ein bekannter Münchner Portrait- und Monumentalmaler war. Besonderen Eindruck machte auf ihn Max Dörner (1870 – 1939) als sein Professor für Maltechnik und Kunsttheorie, der die ÖI-Tempera-Mischtechnik lehrte, mit der Pauser dann selbst meisterlich umzugehen verstand. 1921 erschien Dörners bekannt gewordene Abhandlung „Malmaterial-Verwendung im Bild“, das ein immer wieder benütztes Lehrbuch für die nachkommende Generation wurde.

Karl Caspar (1879 – 1956), damals erst vierzig Jahre, war der jüngste der Professoren Pausers. Seine moderne Farbauffassung vermittelte zwischen dem Ernst des Gegenständlichen, zwischen feierlicher Monumentalität und einer vor der Natur gewonnenen, geistig übersetzten Farbe. Vermutlich ging der nachhaltigste Eindruck auf den jungen Pauser von ihm aus, da er als Kunststudent im Stile dieses Lehrers expressionistische Blumenbilder und Portraits malte, die er allerdings später fast alle wieder vernichtete. Nur einige dieser frühen Arbeiten sind noch erhalten oder nachweisbar. Diese expressionistische Zeit wurde bei ihm von der Neuen Sachlichkeit abgelöst.

Pausers erste Frau Anny erzählt, wie er damals bei gemeinsamen Ausstellungsbesichtigungen in München bewundernd und gebannt vor den Bildern der Maler Carl Hofer, des frühen Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner und vor allem Otto Dix stand, die seine frühe Auffassung beeinflußten. Überrascht entdeckte er auch die Welt Paul Klees und die der Dadaisten. Es war eine anregende Zeit für den Studenten Pauser, denn München war in den frühen zwanziger Jahren ein künstlerisch sehr lebendiger Boden. Es spricht nun für die Sicherheit der eigenen Auffassung Pausers, daß er seinen Weg allein gehen wollte, unbeirrt von der künstlerischen Unruhe, unbeirrt von neuen Experimenten, denen die Zukunft zu gehören schien.

Nach einem Jahr Quartier bei dem Maler Fritz Quidenus aus der Künstlergruppe der „Elf Scharfrichter“ bewohnte er mit einem Studienfreund ein Atelier in der Leopoldstraße 71. Vom heiteren Teil seiner Münchner Studienzeit geben die vielen Zeichnungen im Atelierbuch des Künstlers eine Vorstellung.

Als Pauser am 4. September 1924 mit Anny Schrey in Waidhofen die Ehe schloß, war auch sein Berufsziel fixiert: er wollte frei schaffender Künstler bleiben, was in dieser schweren Zeit mit Opfern verbunden war. Ein kurzer Versuch an der Wiener Akademie – im Jahre 1925/26 studierte er drei Monate bei Karl Sterrer – scheint ihn nur auf seinem Weg zu einer strengen, stilisierten Auffassung im Sinne der Neuen Sachlichkeit bestärkt zu haben. Pauser selbst schreibt in einem handgeschriebenen, schlagwortartigen und sachlichen Lebenslauf, daß er zwei Jahre zurückgezogen auf dem Lande lebte und Portraits und Landschaften malte. Aus dieser Zeit seien drei Beispiele herausgegriffen, die im Vergleich zu dem noch ganz expressionistisch gemalten Bild seiner jungen Frau aus dem Jahre 1924 die Wandlung und den eigenen Weg deutlich zeigen.

Stellen wir das Bild „Der Lesende“, das auch „Studierstube“ betitelt werden könnte, an den Beginn dieser Beispiele. Pauser malte es 1925. Wir sehen einen jungen Mann, den Kopf auf die rechte Hand gestützt, mit gesenktem Blick vor einem geöffneten Buch. Der enge Raum ist wie durch eine Weitwinkelperspektive in die Tiefe geschoben. Klein erscheint das Bett in der Ecke, etwas verzerrt die Ebene des Fensters, durch das man vom Reichenauerhof gegen die Ybbs zu blickt. Die Darstellung ist streng, durch Licht und Schatten in unwirklicher Ruhe, die Farben sind von einem rötlichen, leicht violetten Grundton bestimmt. Feinste Übergänge von Hell zu Dunkel bewirken ein Schweben und ein in sich Ruhen der Gegenstände. Wir müssen bei diesem etwas steif und unbeholfen wirkenden Frühwerk noch ein wenig verweilen, um einen Ausgangspunkt für das weitere Schaffen zu gewinnen. Was hat sich hier ereignet, worum geht es dem jungen Maler? Der lauten Ausdrucksform des Expressionismus setzt er eine sachliche Schilderung entgegen, die aber die Dinge selber nicht zum Ziel hat. Nur der Blick aus dem Fenster gewährt eine Ansicht des bunten, lebendigen Daseins. In der Stube geht es aber um eine andere Welt, eine Welt voll feinster Poesie. Behutsam wie das sanft gleitende Licht sind die Grenzen des Raumes gemalt, die zugleich alles Begrenzende verlieren. Sie umschließen den Menschen, der sich in sein Buch, in die zauberhaft unwirkliche Welt des Geistes versenkt. Liebevoll gemalt sind auch die Bücher, die am Tisch liegen und die Komposition formal abrunden. Das Gefühl der Geborgenheit in der Studierstube ist das Bekenntnis, das der junge Maler der lauten, turbulenten Welt entgegenhält.

Anders wirkt das Bildnis seiner Frau, das kurz danach entstand. In einem dunklen, hochgeschlossenen Kleid sitzt sie in einem Lehnsessel, vor ihr auf dem Tisch stehen zwei Kakteen, die hier wie künstliche Gebilde wirken; draußen vor dem Fenster die hohe Brücke nach Zell, bunte Häuser, die in ihrer Einfachheit wie aus einem Baukasten zusammengestellt sein könnten. Die Strenge ist bei diesem 1926 entstandenen Bild gemildert, die Farben sind lebhafter geworden. Die ichbezogene Stimmung wich einer Konfrontation mit der ihn umgebenden Welt, mit den Dingen des Alltags, vor allem einer Auseinandersetzung mit dem schönen Antlitz der jungen Frau. Ordnung und Ausgewogenheit stehen hier im Vordergrund der Komposition. Hier empfinden wir keine weltferne Harmonie, sondern eine mehr wirklichkeitsbezogene und von Liebe getragene. Gütersloh hat später gesagt, Pauser male das, was dahintersteckt, eine Tiefe, die an der Oberfläche liegt. Hier erkennt man sie.

Das eigenartigste der frühen Bilder ist das „Kind mit Spielzeug“ aus dem Jahre 1925. Ehe man den Versuch unternimmt, die Zusammenstellung der gemalten Gegenstände als tiefgründig zu deuten, ist es gut zu fragen, wie es zu diesem Bild kam. Der Anlaß dazu war, so erzählt Frau Anny Pauser, die kunstgewerbliche Werkstätte im Reichenauer Hof am Rande der Stadt, die Adolf von Schwarz eingerichtet hatte. Die hier umherstehenden Spielsachen hatte Pauser an einem Regentag entdeckt und gemalt. Gewiß kamen Anregungen zu solchen Motiven von der Neuen Sachlichkeit, die Pauser in München kennengelernt hatte. Aber was sich hier ereignet und was hier gemalt wird, ist ein unmittelbar erlebtes und kein konstruiertes, symbolhaftes Bild. Pauser versenkte sich beim Malen in die Welt der vor ihm befindlichen Dinge, sie wurden ihm Kostbarkeiten, er war gleichsam das Kind; der Zauber einer versunkenen Welt wurde wieder lebendig.

Eine solche verinnerlichte Auffassung trug der ernste, sensible und bescheidene Mensch in die Großstadt Wien, in der er für seine Kunst Freunde zu finden hoffte.

 

DAS WIENER ATELIER
MITGLIEDSCHAFT IN DER WIENER SECESSION
INTERNATIONALE ERFOLGE

Am 1. September 1926 hatte Sergius Pauser mit seiner jungen Frau das Atelier in der Rechten Wienzeile 85, Tür 26, bezogen. Obwohl sich die Eltern seiner Frau bei der Eheschließung bereit erklärt hatten, die finanzielle Sicherung durch ein monatliches Fixum zu gewährleisten, damit die künstlerische Entwicklung des Malers, dessen hohe ethische Einstellung sie sehr schätzten, nicht behindert werde, waren die beiden jungen Menschen in der großen Stadt doch ganz auf sich gestellt. Pauser wollte mit seinen eigenen künstlerischen Vorstellungen, wie er sie in seinem Innersten erfunden und erschaut hatte, Verständnis finden. Anfangs freilich war seine Frau die einzige Kritikerin seiner Kunst und immer wieder sein Modell. Welcher Käufer sollte an der tiefsinnigen und tief empfundenen „Demaskierung“, die Pauser 1926 gemalt hatte, Gefallen finden, an jenem elegischen Paar, das an einem Tisch vor einer Flasche sitzt? Seine Frau Anny, das Münchner Faschingshütchen um den Kopf gebunden, hat die Maske eben abgenommen. Doch er, im bunten Harlekinsgewand, mit Napoleonhut, bleibt maskiert, er bleibt im Verborgenen.

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß Pauser Zeit seines Lebens das Malen eines Selbstbildnisses ablehnte und beharrlich vermieden hat. Selbstdarstellungen gibt es nur etwa fünf von ihm. Sie sind aus der Frühzeit, sind entweder streng stilisiert und so gut wie unerkennbar oder maskiert.

Bereits im Jahre 1927 war der junge Künstler als vielversprechendes Talent in die Wiener Secession aufgenommen worden. „Wenn er sich in seiner Art vollendet“, schreibt der Dichter und Kunstkritiker Max Roden am 5. Dezember in der Volkszeitung, „und in dem Tempo, das er anschlägt, dann wird Sergius Pauser bald ein Führender unter den Jungen sein … diesmal ist nachdrücklich auf die delikate Koloristik seiner ‚Demaskierung’ hinzuweisen.“

Pauser malte um diese Zeit Portraits wie beispielsweise die Gattin des mit ihm befreundeten Malers Ernst Huber, oder das Bildnis des Bankiers Leo von Preleuthner; dann wieder Blumen, Tulpen und Palmkätzchen vor dunklen Draperien oder vor zartrosa Grau oder vor dem Prospekt eines Hafens, der, obgleich erfunden, doch schon die Art seiner späteren Städteveduten ahnen läßt. 1927 entstand mit kühler Eleganz das „Spiel am Tennisplatz“, das Born „magisch“ genannt hat, obwohl wir heute viel Modisches an ihm finden. Um diese Zeit gelingt ein außerordentliches Bild, das erstaunen läßt: die verlassene „Station Kahlenberg“. Das Bild der ehemaligen Zahnradbahnstation hat Rhythmus, dabei Ausgewogenheit, eine enorme Perspektive, aber dennoch Geschlossenheit, es hat Kontraste und eine so starke Stimmung, daß alles in sie eingebunden ist. Die Realität wird Kulisse, Ausdruckselement künstlerischer Empfindung. Das Reale ist unwirklich geworden, aber zugleich in höherem Sinn belebt. Es ist etwas Tragisches in dieser Verlassenheit, dennoch ist sie voll liebevoller Empfindung. Das Motiv hat – so scheint es – ein inneres Bild des Künstlers erweckt, in dem sich sein Wesen spiegeln konnte. Auch das Divergierende wurde ihm harmonisch, maßvoll, ohne den „inneren Aufschrei“, wie er damals modern war. Am Format dieses Malers konnte man fürderhin nicht mehr zweifeln.

Noch ein zweites bedeutendes Gemälde entstand in diesem Jahr: „Dame in Weiß“ mit der roten Kakteenblüte, das Bildnis der rassigen, schwarzhaarigen Braut des Arztes Dr. Beck: Fräulein Sokal. Es wurde mehr als ein Portrait. Der Stil der Neuen Sachlichkeit hatte sich dem Zeitstil verbunden und war mit der Natürlichkeit des Bildgegenstandes eins geworden. Die behutsam geführte Zeichnung und die feine Modellierung hatten ebenso wie die zarten durchschimmernden Farbübergänge noch mehr als früher an Empfindung gewonnen. Dabei waren die harmonische Komposition und die farbige Geschlossenheit wieder einem symbolhaften Inhalt verbunden, der dem Gemälde einen tiefen, nahezu melancholischen Inhalt gab.

Dieses Bild hatte ein Kunstfreund in Pforzheim in der Zeitschrift „Deutsche Kunst der Gegenwart“ abgebildet gesehen und Pauser spontan einen begeisterten Brief geschrieben. Er dankt „für das Zarte und Reine und Ernste und Keusche und Weiche und Gütige, das Ihre Hände da unbewußt und voll tiefer und gläubiger Tröstlichkeit da hingestellt haben."

1928 wird dieses Gemälde auf der Dürer-Festjahr-Ausstellung gezeigt und von der Städtischen Galerie Nürnberg erworben. Das Modell, nunmehr Frau Beck, ist über den Verkauf des Bildes ungehalten, dennoch ist sie zu weiteren Sitzungen für ein zweites Portrait bereit. Gerade dieses Gemälde aber wird wieder ein großer Erfolg. Pauser erhält dafür den ersten Preis für das schönste österreichische Frauenportrait des Jahres 1928 in der Höhe von 7.500 Schilling, damals ein ungewöhnlich hoher Geldbetrag. Den Wettbewerb dazu hatte Georg Schicht, der Präsident der Wiener Parfümeriegesellschaft Elida, ausgeschrieben. Die künstlerische Auffassung der 34 ausgewählten Arbeiten, unter denen Bilder von Anton Faistauer, Josef Dobrowsky, Ferdinand Kitt, Georg Merkel und Artur Nikodem waren, schwankte zwischen Stilisierung und impressionistisch aufgelöstem Naturalismus. Die Sachlichkeit dominierte als künstlerischer Stil jener Zeit. Sergius Pauser hatte noch ein zweites Gemälde in dieser Auswahl: ein sehr strenges, symmetrisch angeordnetes Bild seiner Frau. Es wirkt distanziert; das preisgekrönte Gemälde war weitaus suggestiver. Zur Jury gehörten Ferdinand Andri, Rudolf Bacher, Franz Karl Ginzkey, Hans Kropff aus Berlin, der Kunsthistoriker Arthur Roessler, Otto Schönthal und Fritz Silberbauer. Die Entscheidung der sechseinhalb Stunden dauernden Hauptsitzung begründete die Jury folgendermaßen: „Der Preis wurde der Arbeit des Malers Sergius Pauser zugesprochen, weil sein Frauenbildnis in edler Sachlichkeit, unter Verzicht auf konventionelle Pose, die Frau von heute darstellt, welche geistig und seelisch tief interessiert ist an dem Wesen und Werden unserer Zeit.“ Im Neuen Wiener Tagblatt (12. 12. 1928) liest man darüber: „Es liegt ein edles, tief empfundenes Kunstwerk vor, dessen geheimnisreiche, stille Schönheit ergreift und von dessen ernst fragendem Blick der Betrachter nicht so leicht loskommt. Pauser, ein moderner Meister von stilvoller Haltung, ein feiner Raumkünstler und ein subtiler Seelenenthüller, hat der neuen, der österreichischen Frau unserer Tage eine ganz ungewöhnliche Huldigung dargebracht“. Die trefflichste Aussage über dieses Gemälde machte der damals in Wien lebende Kunstschriftsteller Wolfgang Born, der des öfteren bei, Pauser im Atelier war und ihn in seinem Streben ermutigte. Er schrieb im April 1929 (Heft 7) in der Darmstädter Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ über Pausers preisgekröntes Bild: „Man fühlt den Anhauch des Rätselhaften. Das Gegenständliche ist erfüllt von Symbolik. Ganz von innen her ist die Vision geholt. – Die Objektivität entschleiert sich als sekundäre Einkleidung; der Realismus hat gewissermaßen einen doppelten Boden. Aus dieser Quelle stammt der Reiz traumhafter Versunkenheit, den die Schöpfungen des Künstlers besitzen. Hinter der sichtbaren Gestalt birgt sich, dem wachen Denken unzugänglich, die Botschaft des Unbewußten. Man ahnt das geistige Element der Erscheinung. Jedes Bild, das Sergius Pauser malt, wird ihm unter den Händen von selbst zum Sinnbild.“ „Seine Bilder“, so heißt es in der zusammenfassenden Würdigung, „verdanken ihre wohltuende Selbstverständlichkeit der Logik ihres technischen Aufbaues. Aus warmen, dunklen Untermalungen wächst schichtweise die farbige Haltung des Ganzen zusammen. Das ist sinnvolle Verwertung musealer Studien. Die Gegenwart steuert formale Tendenzen bei: die Objektivität einer Gesinnung, die sich erst zufrieden gibt, wenn sie die Dinge aus ihrer Verknüpfung gelöst und in ihrer plastischen Existenz eindeutig festgelegt hat. Diese Isolierung der Gegenstände verarbeitet Sergius Pauser zum Ausdrucksmittel für ein persönliches Weltgefühl.“ Soweit die Urteile der Zeit über Pausers ersten großen Erfolg.

Im gleichen Jahr nahm Pauser an einer europäischen Konkurrenz teil und zwar in der Aktausstellung der Wiener Secession. Unter den Italienern fiel Ubaldo Oppi auf, unter den Franzosen finden wir den Kubisten André Lhote und Suzanne Valadon, die Mutter Utrillos. Schweden wurde von Anders Zorn vertreten, Deutschland von Lovis Corinth und von Pausers Lehrer Karl Caspar. Die Schweizer schickten unter anderen Alberto Giacometti. Unter den österreichischen Künstlern dominierte Anton Faistauers vierteiliges Gemälde „Rhythmus einer Frau“. Pauser stellte den Akt „Mädchen mit Tulpen“ aus, über den Wolfgang Born schrieb: „Ein Werk, erfüllt von wunderbarer Musik, dabei von hochentwickelter Kultur des malerischen Vortrages, steht unter der Menge der Bilder einsam, jener weiblichen Romangestalt Jakob Wassermanns vergleichbar, die von den Menschen durch eine unsichtbare gläserne Kugel getrennt schien.“

Überblickt man seine anderen Gemälde aus diesem Erfolgsjahr, dann findet man darunter ein Motiv aus Waidhofen, das „Haus von Tante Isa“, dann wieder ein Bild „Kakteen am Atelierfenster“, alles nun weniger streng, malerisch gelöster, ohne sinnbildhaften „Doppelboden“. Pauser malte auch ein maskenhaftes Selbstbildnis im Kostüm, wieder in jener Scheu vor sich selber. Er malte sich damals noch in einem anderen Bild, aber völlig verdeckt in der Umarmung mit einem Modell, auch hier in ähnlich banger Verhaltenheit. Einer indischen Miniatur entlehnte er das Motiv der „Inderin“ und malte eine rothaarige Kellnerin der WÖK (ein bekanntes Wiener Speisehaus) als venezianische „Courtisane“. Welche Wandlung vermochte er alltäglichen Anlässen zu geben!

Die Erfolge wirkten sich nun auch in der Lebenshaltung des Künstlers aus. Durch Vermittlung des Verlegers und Malers Rudolf Haybach, der später sein Biograph werden sollte, erfuhr Pauser, daß Albert Paris Gütersloh sein Atelier in einem Haus der Gemeinde Wien in der Vorgartenstraße 140, Ecke Lasallestraße, im zweiten Bezirk nahe der Reichsbrücke, abgeben wolle. Hier nun hatte er neben einer kleinen Wohnung ein großes Atelier gefunden, das auch Schauplatz von Ausstellungen werden konnte. Pauser bezog es mit seiner Frau am 1. September 1928.

1929 malte Pauser aufgelockerte Blumenbildnisse, Tulpen vor effektvollen Draperien, komponierte ein ausdrucksvolles Melonenstilleben in einer aufgebrochenen Holzsteige, es entstanden mehrere delikat gemalte Stilleben und immer wieder fesselte ihn das Maskenmotiv. Die große Einsamkeit, die melancholische Besinnlichkeit der frühen Bilder gingen jedoch verloren. Im Bild „Atelierfest“ aber – es ist der Künstler mit seiner Frau als tanzendes Paar – ist jenes scheue Stilisieren wieder da. Aber Pausers Hauptinteresse gilt jetzt dem farbigen Reiz einer vibrierenden Oberfläche, die malerische Impression dominiert. Wie sehr er gewisse Posen liebt, zeigt das Portrait der ersten österreichischen Schönheitskönigin Lisl Goldarbeiter (II), die er vor einem Blumenstrauß stehend gemalt hat. Die Problematik, in der sich damals seine künstlerische Entwicklung befand, wird sichtbar. Strenges Stilisieren und malerische Auflockerung werden vom Naturalismus beherrscht, es ist eine in sich ruhende Vordergründigkeit, ohne jene Tiefe, die man an den frühen Gemälden bewundern konnte. Im Portrait Richard Billingers hat Pauser allerdings noch Strenge. Das Bildnis des Dichters zählt auch heute zu seinen besten Arbeiten.

In dieser deutlich sichtbaren Krise, in der sich neues vorbereitet und altes immer noch seine Ausdrucksstärke erweist, wird der Künstler von einer neuen Faszination erfaßt: von der Welt des Wurstelpraters, in unmittelbarer Nähe seines neuen Wohnortes. Pauser bezaubert der Tanz eines Negerpaares, den er im Senegalendorf nahe dem Riesenrad bestaunt. Temperamentvoll, humorvoll, naiv und mit einem Schuß Nachdenklichkeit ist der „Watschenmann“ gemalt, und noch stärker wird die Bewegtheit des Pinsels beim „Karussell“. Die Dynamik der Farben führt die hölzernen Spielzeugpferde dahin, selber unbeweglich und doch so bewegt. Hier hatte Pauser etwas ganz Neues geschaffen. Wieder waren es äußere Impulse, die ihn bewegten und formten.

Doch wie verhielt sich die Kritik dem Maler gegenüber, der nun in die vorderste Front der Künstler seiner Zeit gerückt war, den man bewunderte, aber auch unter die Lupe nahm? Der Schriftsteller und Herausgeber der Zeitschrift „Die Schönen Künste“, Leopold Wolfgang Rochowanski, schrieb ein Feuilleton im Neuen Wiener Journal über das moderne Frauenportrait, wobei Pauser selbst das Wort hat und zunächst mit der Feststellung überrascht, daß er lieber Männer male als Frauen, weil jene keine Verwirklichung der Phantasievorstellungen ihrer Schönheit erwarteten. Er erklärt: „Ich kann immer nur das malen, was mir an einem Menschen charakteristisch erscheint, die Idee, die er für mich verkörpert.“

Die Frühjahrsausstellung in der Wiener Secession hat Pauser in diesem Jahr in den Mittelpunkt der Anerkennung gerückt. „Herzliche Freude“, so schreibt das Wiener Journal vom 27. April 1929, „empfindet man über die überraschende Entwicklung der verheißungsvollen Begabung von Sergius Pauser, der koloristische Köstlichkeiten und gestalterische Finesse bietet. In seinen neuen Bildern ist eine Buntheit des Erlebens, eine Leichtigkeit der Darstellung, die an moderne Pariser Meister denken lassen. Pauser besitzt ein lyrisches Timbre, dessen Süßigkeit nie in Verweichlichung und in das Allzugefällige ausartet. Überall sind Finessen malerischer Kultur.“ Es gibt aber auch kritische Stimmen. Von dem zu Ruf und Ruhm gelangten Pauser schreibt das Neue Wiener Abendblatt vom 18. 4. 1929, daß er „nach vielversprechendem, glänzenden Aufstieg nunmehr schon sich selbst ein wenig zu wiederholen beginnt. Hier droht die Gefahr, in Manier zu erstarren, sich formelhaft festzulegen.“ – Pauser beschäftigt die Kunstkritik immer von neuem. So nimmt Max Roden Sergius Pauser in den Zyklus seiner Profile auf und schreibt am 13. November 1929 im Volksblatt über unseren Maler anläßlich einer Sonderausstellung in der Wiener Neuen Galerie: „Wie sehr ist aus allem, was er schuf, und es ist viel und tief für seine Jugend, das innere Gleichmaß zu spüren, wie stark ist die Ausgeglichenheit seines schon heute gerundeten Werkes! In diese Stille aber ist das ewige Drängen gesenkt, das diesen Künstler zu bestimmen hat, in ihr ruht, machtvoll, die Idee, die, zumeist in Bildnis und Blumenstück, den gleichgegründeten Ausdruck in der vielfach gewandelten Form sucht.

Es gehören ihm gleichstark zu: die Festigkeit in Form und Farbe und das Aufgelockerte, das Rührendliebe der Palmkätzchen und der frohlockende Ruf der Feldblumen, das Ebenmäßigglatte, „Lasierte“ eines Antlitzes und das Gefurchte, „Rissige“. Wird, und wann wird eine Entscheidung fallen?“

Wir wissen heute, daß diese Entscheidung nie gefallen ist, denn sie durchzieht – auch wenn die eine oder andere Richtung dominiert – als ein latentes, fruchtbares Spannungsverhältnis Pausers Werk. In einer zweiten Kritik, die Herbert Stifter im Neuen Wiener Tagblatt vom 4. Dezember 1929 schrieb, findet zum ersten Mal auch der Aquarellist Pauser eine kritische Würdigung. „Überraschung und Freude“, so liest man hier, „bereiten die Reihen flüchtiger landschaftlicher Aquarellstudien von bezaubernder Lebendigkeit. Eine große Zahl davon ist in wenigen Minuten hingeträumt, naß in naß gemalt und doch, wie etwa die eine Skizze der Alten Donau besonders klar zeigt, sicher konturiert. Andere wieder gehen in ganz impressionistischer Wirkung bis zur völligen Verwischung, die nur mehr den Farbfleck als solchen wirken läßt. Viele der nicht naß in naß gemalten Studien sind von einer Schwermut, die das Wesen dieser ernsten Höhenzüge erfaßt, die schon die ersten oder noch die letzten Spuren des Winters an sich tragen. Die Wiedergabe der Schneestreifen durch das unbemalte, übrigens besonders rauhe Papier ist trefflich geglückt. Diese Aquarelle sind meist Wander- und Reiseblätter und bringen farbliche Stimmungen aus Wiens Umgegend, aus Österreich, von Waidhofen bis nach Gurgl und zum Bodensee, aber auch aus Frankreich.“ Im allgemeinen fällt auf, wie doch über die bedeutenden Arbeiten das Urteil ziemlich gleichlautend positiv ausfällt, während die französischen Stilleben – öfter kritisiert – nicht zum Wesen seiner Kunst gerechnet werden.

Neben solchen Kollektivausstellungen in bekannten Galerien hat Pauser in seinem Atelier in der Vorgartenstraße auch selber vorweihnachtliche Verkaufsausstellungen veranstaltet. Im Jahre 1929 fand die erste Atelierschau statt. An dieser beteiligten sich außer ihm Franz von Zülow, Josef Dobrowsky und Ernst Huber, die mit ihrer Auffassung von Malerei verwandte Ziele verfolgten und sich zu einer Freundesgruppe zusammengefunden hatten. Auf den Photographien erscheint Pauser als der eleganteste unter ihnen, mit Gamaschen, bewußt tadellos gekleidet. Dies war seine Art auch in Zeiten größter Not und Depression; er ließ solche Situationen niemals andere merken. Auch das Jahr 1930 bringt Erfolge und eine deutliche Entwicklung zu einem immer freier werdenden Kolorit. Man muß nur drei seiner Blumenstücke vergleichen: die schlichten „Palmkätzchen“ in der bauchigen Vase, den viel reicheren und dekorativeren „Strauß auf grünem Tisch“ und den „Herbststrauß in einem Krug“, in dem bereits die Art der späteren Werke ausgeprägt ist. Ähnlich ist die stilistische Diskrepanz bei den Damenbildnissen. Das Neue seines koloristischen Weges zeigt das in nahezu leuchtenden Pastellfarben gemalte Bildnis seiner „Frau in der Hängematte“ (1930/31). Das Portrait des Kunsthistorikers Dr. Joseph Mühlmann markiert bereits die Höhe Pauserscher Ausdruckskunst der späteren Zeit. Es ist kaum zu glauben, daß dieses Bild nur ein Jahr nach dem Portrait Richard Billingers gemalt wurde. Die Landschaften dieser Zeit zeugen vom Besuch Pausers bei Huber in Schenkenfelden in Oberösterreich, über den er später sagte, daß er das einfache Dorf entdeckt habe. Bei Dobrowsky in Ybbs entsteht das sicher komponierte Bild „Donaudampfer“. Im gleichen Jahr malt Pauser die strengen Reichsbrückenbilder. Sachliche Nüchternheit eines technischen Objekts konnte in ihm eine eigene poetische Stimmung erwecken. Der große Wurf dieses Jahres ist allerdings sein Bild „Schrebergärten“. Aus der Stimmung des Isoliertseins entstehen feinste, beziehungsvolle Harmonien, farbig und einfach, wie aus Bausteinen zusammengefügt. Hier war Pauser als einfacher Mensch in einem einfachen Milieu, das ihn spürbar anzog und rührte, und es kann gewiß nicht als Zufall gewertet werden, daß sich zu diesem Bild ein Gedicht des eher wortkargen Malers erhalten hat.

Die Kritiken dieses Jahres loben seinen künstlerischen Aufstieg, die Verfeinerung seines Kolorits, die Transparenz und Leuchtkraft der Farben. Die „Neusachlichkeit“, so bemerkt ein Rezensent, ist nun gemildert, doch wird vor der Gefahr gewarnt, in die der Portraitmaler Pauser in einer zahlungskräftigen Gesellschaft einst kommen könnte. Auch seine Beteiligung an einer Deutschland-Tournee 1930/31, bei der seine Gemälde mit Arbeiten von Wiener Kollegen gezeigt wurden, brachte ihm einen beachtlichen Erfolg. Bei der Ausstellung im graphischen Kabinett Kunde in Hamburg lobt man den flüssigen Elan, die Kraft und Kühnheit seiner Lichtstudien und den starken Eindruck seiner Landschaftsaquarelle, im Kunstverein Barmen-Wuppertal die in großen Flächen gemeisterten Aquarelle, die streng komponierte „Reichsbrücke von Osten“ und den weich modellierten Mädchenakt. In der Gemäldegalerie Bochum beachtet man seine Feinfühligkeit in der Winterlandschaft, in der Kunsthalle Bremen das Aquarell der Osteria, im Kasseler Kunstverein schätzt man die sachliche Liebe, mit der er seine Blumenbilder gestaltet, sowie die Zartheit und die „wundervolle Keuschheit“ seiner weiblichen Akte. Im Sächsischen Kunstverein Dresden verwendet ein Kritiker die Worte „lieblich“ und „leicht parfümiert“, in der Leipziger Galerie Remmler hebt man die technisch ausgezeichneten Aquarelle hervor und im Kunstverein Karlsruhe, wo die Reise der Bilder im Juli 1931 endet, das Leben und die Bewegung der Malerei seines Reichsbrückenbildes; der „Strauß auf grünem Tisch“ wird hingegen eklektisch empfunden, das Bild der Italienerin (am Gardasee) gerade wegen der sparsamsten Mittel eindringlich gelobt.

Im Jahre 1930 meldete sich in den Monatsheften „Österreichische Kunst“ (Heft 12) Wolfgang Born noch einmal mit einer zusammenfassenden Würdigung zu Wort: „Die gemalte Welt Sergius Pausers ist von der Stille eines Feiertags erfüllt. Menschen und Dinge sehen anders aus als sonst. Sehr rein, sehr klar, gelöst aus dem verwirrenden Treiben des wirklichen Lebens … Alle Körper sind von eigentümlicher Durchsichtigkeit, ohne dabei ihren Charakter einzubüßen. Sie sind ganz durchdrungen von dem Eigenwesen des Malers. Keineswegs liegt jedoch der Fall so, daß hier eine gewaltsame Persönlichkeit sich die Realität untertan gemacht hätte. Im Gegenteil: der Künstler tritt mit äußerster Bescheidenheit vor sein Modell, und gerade in seiner Zurückhaltung, in seiner aufrichtigen Hingabe liegt seine Kraft.“

Pauser ist nun auch international bekannt geworden. 1931 stellt er in der Neuen Sezession in München aus, ebenso in Winterthur und Bern. Besonderen Erfolg hatte er im Rahmen der Österreich-Gruppe bei der internationalen Carnegieausstellung in Pittsburgh, wo sein Gemälde „Mädchen vor dem Spiegel“ zu einem der fünf signifikanten Gemälde gewählt wurde. Den ersten Preis erhielt Franklin C. Watkins, den zweiten Mario Sironi, den dritten Raoul Dufy. Mit Recht hatte die Jury gerade dieses Bild prämiiert, es war ohne Pose, schlicht und reich an inneren Werten. Edward Alden Jewel als Juror nennt es „eines der besten Beispiele moderner österreichischer Portraitmalerei. Die Zeichnung ist in jeder Hinsicht überzeugend. Die allgemeine Wirkung des Bildes ist von ehrlicher, bezwingender Kraft, aufrichtig und eindringlich.“

In Österreich finden wir die Staatsgalerie und die Albertina unter den Käufern, ebenso die Galerie der Wiener Secession. Am gewichtigsten war wohl der Ehrenpreis der Stadt Wien, der 1931 für Pausers Werke in der großen Portraitausstellung im Wiener Künstlerhaus verliehen wurde. Dieser ersten offiziellen Ehrung in Österreich folgte ein Ankauf durch die Galerie der Stadt Wien. Dabei hatte man einen guten Griff getan. Die Wahl fiel auf das Gemälde „Wurstelprater“. Wieder existiert ein Gedicht über das Thema des Bildes, das eine gewisse Grundstimmung einfängt. Der Künstler liebte das Elegische, den Blick hinter die Kulissen der Buden, das noch mit Brettern verschlagene Ringelspiel. Der Phantasie war hier größerer Spielraum geboten. Der Vortrag des Pinselstrichs ist nun viel detailreicher und lebendiger geworden. Der Ehrung durch die Stadt Wien folgte 1932 der österreichische Staatspreis; übrigens hatte schon 1930 die Staatsgalerie durch die Julius Reich-Stiftung das Gemälde „Margarethe Popp“ (I) erhalten. Die höchsten Stellen des Landes hatten den Künstler anerkannt.

Pauser war in den dreißiger Jahren gegenüber der Natur und der Wirklichkeit wesentlich offener geworden, die Oberfläche übte eine immer stärkere Faszination auf ihn aus. Hand in Hand damit ging die freiere Verwendung der malerischen Mittel, seine Handschrift wurde impulsiver, ausdrucksstark und eigengesetzlich. Man könnte fast glauben, daß in dieser Zeit der Pinselstrich eines Oskar Kokoschka, der 1931 in seinem Haus im Liebhartstal wohnte und Wien damals mehrfach gemalt hatte („Blick vom Wilhelminenberg“), auf ihn eingewirkt hätte. Mit Verspätung wird hier der Anschluß an eine expressionistische Richtung gefunden, doch blieb Pauser in seinen Bildern viel zarter, feinnerviger, verhaltener. Die Epoche der Sachlichkeit war keineswegs spurlos an ihm vorübergegangen. Es blieb die Ruhe und Gemessenheit, das Streben nach künstlerischer Harmonie, und es blieb stets die Überzeugungskraft der Natur, auch mitten im temperamentvollsten Ausbruch der Farben. Die großartigste Leistung dieses Aufbruchs bringt wohl das Portrait von Graf Stanislaus Stadniecki. Er war Wohnungsnachbar Pausers in dessen neuer Atelierwohnung, Brucknerstraße 2, Tür 7, Ecke Schwarzenbergplatz, die am 1. September 1933 bezogen wurde. Seine Frau Anny erzählt, daß der Künstler dieses Bildnis in vier Stunden wie in Ekstase auf die Leinwand gebannt hat. Wieder einer jener großen Momente unmittelbarer Inspiration, die den so verhalten wirkenden Künstler gleichsam überfallen hatte. Vor einem Furioso der Hintergrundmalerei gestaltet sich eine nahezu unheimliche Ruhe und Entschlossenheit im Ausdruck des Dargestellten, der als ein impulsiver Mensch geschildert wird.

In dieser Zeit, in der die malerischen Mittel (und nicht die Motive) ein temperamentvolles Eigenleben erreichen, macht der Künstler den Schritt in das Reich seiner Traumwelt. Man muß dieses Streben nach Freiheit, vom Formalen her gesehen, in Verbindung mit dem Stadnieckiportrait zu verstehen suchen, wobei die Themenwahl der Traumbilder auf seelische Erschütterungen schließen läßt. Die drei Gemälde dieses Themas gehören wohl zum Rätselhaftesten im Werk Pausers, sie haben auch zu vielen Interpretationen Anlaß gegeben. Pauser selbst hat sie später mit den surreal phantastischen Strömungen nach 1945 in Verbindung gebracht. Lesen wir zunächst einige Interpretationen der Zeitgenossen, die sich mit dieser Entwicklung erstmalig konfrontiert sahen. Arthur Roessler, sein Juror beim ersten großen Erfolg des Jahres 1928, erkennt die Situation in ihrer allgemeinen Lage sehr gut. „Jedenfalls ist“, so schreibt er 1935 über die Herbstausstellung der Wiener Secession in den Wiener Neuesten Nachrichten (28. 12. 1935), „ein neuer Zug in seiner Malerei wahrnehmbar; ein Bemühen um die sinnfällige Darstellung des Verhältnisses zwischen innerster Empfindung und Farbe. Also Bemühen um eine neue Ausdrucksfunktion der Farbe: Versinnlichung seltsamer psychologischer Selbsterlebnisse von halb sinnlicher, halb geistiger Art. Die technisch durchgebildete Handhabung des Pinsels befriedigt Pauser augenscheinlich nicht mehr, obgleich er ihrer, wie einige Beispiele überzeugend dartun, immer noch mächtig ist, aber just das verleiht seinen neuen Arbeiten, worunter sich zwei Mädchenbildnisse von wundervollem Farbzusammenklang befinden, künstlerische Reize ungewöhnlicher Art.“

Max Roden geht in der Volkszeitung vom 23. Dezember 1935 näher auf die Traumbilder Pausers ein und sieht sie gleichfalls im größeren Zusammenhang der Entwicklung. Er meint, daß Pauser auf der Höhe seines Schaffens sei und fährt fort: „Nicht, weil er drei Traumbilder bringt, von denen das eine so heißt und das zweite ,Traumbild von Katastrophen‘ und das dritte ,Fliegen, fallen, schwimmen’ genannt ist, darf gesagt sein, daß Pausers Schaffen traumdurchweht ist; die Anwesenheit dieser Bilder ist lediglich der Anlaß zur Verdeutlichung eines Tatbestandes, der längst gegeben war.

Nun aber sieht man, wie sehr Pauser von seiner Phantasie bestürmt ist und wie sehr sein Traumleben den einzig gerechtfertigten Ausdruck findet; trotz der Vergegenständlichung ist es die Farbe, die die Entscheidung herbeiführt, und gerade ihr Formwesen ist es, die in allen Bildern zur bestimmenden Erscheinung wird.“

Ergänzend sei eine spätere Besprechung von Otto Fritz Beer in der Wiener Zeitung vom 25. April 1937 erwähnt, die deshalb von Wert ist, weil Pauser sich hier auch selbst über das Wesen seiner neuen Bilder äußert: „Am schönsten wäre es, ein Bild überhaupt nur in farbigen Zeichen wiederzugeben.“ Pauser bekennt sich hier als Schüler von Ortega y Gasset, um einige Züge seines Werkes besser erklären zu können.

Das Wollen des Künstlers ist klar. Er, der Kolorist, der sich in immer steigendem Maße um die Ausdrucksfunktion der Farbe bemühte, möchte nun völlig frei sein. Doch will, oder härter formuliert, kann er es wirklich? Pauser spricht von farbigen Zeichen, kann sich aber von einer konkreten Sinngebung nicht lösen. Die „Traumerinnerung an Schwebezustände“, – auch so benennt Pauser sein Bild „Fliegen, fallen, schwimmen“ – scheint mir eher eine einfache Bildgeschichte zu sein. Die Farbe ist viel stärker als die Wirkung des Themas. Hier könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht die Stärke Pausers mehr in der Ausdeutung, der Versenkung, im Meditieren über einen Gegenstand liegt?

Obwohl sich Pauser hier ganz neuen geistigen Bezirken zugewendet hat, nimmt er nochmals, und diesmal in einem eigenen Beitrag, zu jenem Thema Stellung, das seinen Erfolg begründet hat. In der Neuen Freien Presse (1.11.1936) schreibt er in einem dreispaltigen Artikel: „Der Künstler und die Frau von heute“, in dem er als Portraitist ein wenig aus der Schule plaudert. Das abschließend gebotene Beispiel sei wörtlich zitiert, weil es auf Pauser ein charakteristisches Licht wirft: „Ich habe das Bild einer Frau gemalt, die ich als mittelmäßig intelligent, als naschhaft und fast geschwätzig, jedenfalls als mitteilungsbedürftig und weich kannte. Das Portrait entstand ganz ohne ,intellektuelle’ Mitwirkung. Das künstlerische Erlebnis und die künstlerische Formung passieren bei Malern ja fast nie die Sphäre des Verstandes. Der Maler malt unbewußt, jedenfalls so, daß er sich zwar des malerischen, aber nicht des psychologischen Effekts bewußt bleibt. Ich konnte also in das Bild auch gar keine ‚Ideen’ hineinverlegen. Trotzdem war die Interpretation, die das fertige Werk fand, verblüffend. Man glaubte, in dem Portrait einen für unsere Zeit charakteristischen Typ erkennen zu müssen, fand in dem Gesicht Herbe und Zurückhaltung, fand darin Wissen und Bedeutsamkeit verbunden mit weiblichem Charme, kurz etwas, das in Wirklichkeit bei der portraitierten Frau gar nicht vorhanden war . . Das Portrait enthüllt also höchstens im übertragenen Sinne Charakteristisches an der Frau … Das Portrait verrät nichts als das ewige Schauspielertum der Frau.“

Pauser vertritt in dem Artikel auch die Meinung, daß er ein Maler ohne Programm und Philosophie sei. Die Inspiration im Augenblick des Schaffens sei für ihn alles. In Wirklichkeit allerdings entsteht mehr als die Darstellung des Schauspielertums! Pauser erweist sich in diesen Aussagen als schlechter Interpret seiner Kunst. Hier zeigt er wohl „seine Art zu unterspielen“, von der sein Freund Prof. Otto Niedermoser spricht.

Die Erfolge der frühen dreißiger Jahre bleiben Pauser treu; es erschließen sich ihm sogar immer neue Kreise. Ein kurzer Rückblick soll an die chronologische Darstellung, die wir kurz verlassen haben, wieder anknüpfen. 1933 stellte er wieder im Carnegie Institute in Pittsburgh, anschließend in Boston und Philadelphia aus. Auch die Neue Sezession in München beschickt er mit Bildern. Im Jahre 1934 erhielt er die Silberne Medaille der Stadt Wien und ist bei der Biennale in Venedig mit den Bildern „Mädchen mit Tulpen“ und „Blumen in einer weißen Vase“ vertreten. Im Jahre 1935 erhält er anläßlich der internationalen Ausstellung im Carnegie Institute den vierten Preis in der Reihe der Rühmlichen Ehrungen (Honorable Mention). Die Wahl fällt auf die ausgestellte „Österreichische Landschaft“, allerdings ein polnisches Motiv aus Skotschau, ein kraftvolles, temperamentvolles Gemälde, das in die Reihe der besten Landschaften gehört, die Pauser gemalt hat. Er siegte hier auch über seine österreichischen Kollegen L. H. Jungnickel, Ferdinand Kitt, Alfons Walde, Franz Wiegele, Ernst Huber und Oskar Laske und war unter den vier Europäern, die von 365 ausgewählten Einsendern aus aller Welt einen Preis erhielten. Den ersten Preis erhielt der Spanier Hipólito Hidalgo de Caviedes, der zweite fiel an den Amerikaner Charles Burchfield, der dritte an den Schweden Henry E. Mattson, der Garden Club Preis an Maurice de Vlaminck. Die Werke aller Preisträger zeigen eine naturalistische Bildwelt. Das prämiierte Gemälde Pausers wurde in den Vereinigten Staaten verkauft. Die Ausstellung sahen 126.000 Menschen, sie wurde anschließend im Kunstmuseum in Cleveland gezeigt und weiters in Toledo, gleichfalls im Staate Ohio. Die Kritik lobte Pausers Bild als eines der schönsten der Ausstellung, sein Gemälde, heißt es, habe „Musik von gewisser Dissonanz und lyrischem Charme.“ In Budapest erhält Pauser anläßlich einer Ausstellung 1935 die Große Goldene Ehrenmedaille der Stadt; eine Landschaft Pausers wird von der Nationalgalerie erworben. In Österreich erwirbt die Österreichische Staatsgalerie 1935 das Bild „Südfranzösischer Garten“ (Landschaft auf Cap Ferrat), das schon in Deutschland Beachtung gefunden hatte. Die Stadt Wien kauft ein Mädchenbildnis, und die RAVAG (der österreichische Rundfunk) verleiht ihm 1935 einen Preis. 1936 ist Pauser wieder auf der Biennale in Venedig vertreten, und zwar mit dem Bildnis von Fräulein Herrgesell, er verkauft auch das Doppelbildnis „Zwei Mädchen“ (I) an Graf Giuseppe Volpi di Misurata. Im Jahre 1937 stellt er im Rahmen der Ausstellung „Österreichische Kunst in Paris“ Landschaftsaquarelle im Musée Jeu de Paume aus, eine Landschaft wird für das Musée des Écoles Étrangères erworben. Im gleichen Jahr ist er bei der Österreichausstellung in Zürich vertreten. 1938 wird er nochmals vom Carnegie Institute eingeladen; Karl Hofer gewann damals den ersten Preis. 

In der in Österreich wirtschaftlich schlechten Zeit zwischen 1934 und 1938 hatte Pauser in Polnisch-Schlesien einen reichen Malschüler und Mäzen gefunden. Es war der Lederfabrikant Fritz Sinaiberger (später Serger) in Skotschau (Skoczów), der ihm auch viele Portrait- und Landschaftsaufträge vermittelte. So konnte sich Pauser immerhin einige Reisen leisten. 1934 fuhr er über Rom nach Sizilien und in die Schweiz. 1935 war er in Frankreich und malte seine berühmten Pariser Städtebilder. 1937 besuchte er mit dem Maler Erich Miller von Hauenfels ein zweites Mal Paris und die Weltausstellung, die Rückreise führte über die Schweiz und Oberitalien.

Im Jahr 1938 hatte sich durch die Besetzung Österreichs die Lage plötzlich verändert. Der Künstlerunterstützungsfond trat auf den Plan. Der Ankauf des Portraits von Luis Trenker durch das Reichsministerium für Kunst und Kultur bedeutete bereits eine Wende.

Ehe wir uns mit dieser Zeit befassen, wollen wir Rückschau halten. In den späten zwanziger und in den dreißiger Jahren hatte Pauser eigentlich alles erreicht, was seinen Anlagen entsprach. Wir müssen uns dabei der Dimensionen bewußt werden, die Pausers Schaffen umfassen. Sie reichen vom stilisierten Bildnis des Lesenden, über das ausdrucksstarke, strenge und energiegeladene Portrait Richard Billingers bis zu der großartigen ekstatischen Malerei, die das Bild des Grafen Stadniecki auszeichnet. Diese weit gespannte Entwicklung der künstlerischen Auffassung wird uns auch am Stilleben und an der Landschaft bewußt, wenn wir etwa an die Kakteenbilder und an die „französischen“ Blumensträuße denken, an die „Zahnradbahnstation“, an das Pariser Städtebild (ca. 1934), an die „Landschaft auf Cap Ferrat“ oder wenn wir schließlich dem „Kind mit Spielzeug“ die Traumbilder gegenüberstellen. Pauser hatte die Weite seiner Möglichkeiten durchmessen.

Untersuchen wir in seinen Bildern zunächst das Verhältnis von Gegenstand und Farbe, dann zeigten sich die Akzente schon am Beginn seines Schaffens ganz deutlich: er sucht sein Motiv, gestaltet es und macht daraus eine Dichtung, die auch in der Kontur künstlerischen Bestand hat. Die Farbe trägt das Motiv wie eine Melodie, die sich durch das Reicherwerden der Palette zu einem differenzierten Zusammenklang verschiedener Töne verbindet. Idee und Farbstimmung, so könnte man vereinfachend sagen, bestimmen den Anfang, die Realität steigert dann den Ausdruck, nimmt dem Bild das Unbestimmte, Träumerische der Empfindung, und schafft Konzentration. Jetzt erst wird die Farbe dominierend; nun aber nicht mehr in schwebenden Übergängen, sondern klar, deutlich, großflächig. Und dann bricht jenes Temperament durch, das Eindruck und Ausdruck unmittelbar durchdringt. Die Farbe formt und handelt, der breite Pinselstrich diktiert das Geschehen, das Kolorit schafft den Gegenstand von neuem. Im Jahr 1936 schreibt Pauser in seinem bereits zitierten Artikel in der Neuen Freien Presse (1. November 1936): „… die Farbe … ein Wert …, der bestimmt wird aus dem Maß an Genuß, den er dem dafür Aufnahmefähigen gewährt … Wer den Sinn dafür ausgebildet hat, erfreut sich an dem Klang, den die Farben, aus denen die Form bewußt gebaut ist, zueinander ergeben, ja, die Genüsse dieser Art können so stark sein, daß sie alle anderen Forderungen übertönen. Um ein Bild in diesem neuen Sinn gut zu gestalten, bedarf es großer Opfer, vielfacher Sturmläufe und ohnmächtiger Niederlagen bewußten Verzichtes auf Dinge, zu denen die Geschicklichkeit verlockt. Die Spuren eines solchen Kampfes lassen den kundigen Beschauer das Werden des Werkes miterleben.“

Geht man diesem spannungsgeladenen, aber nach außen so maßvoll wirkenden künstlerischen Weg nach, dann stellt sich die Frage nach der meisterlichen Technik Pausers, die er so zu beherrschen verstand, daß sie nie zum Selbstzweck wurde. Die folgenden Jahre geben Gelegenheit, diese Seite seines Könnens näher zu betrachten.

 

DIE KRIEGSJAHRE, PROFESSUR AN DER AKADEMIE

Die Wiener Secession war die erste österreichische Kunstvereinigung, die nach dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich das Vorrecht hatte – so der Völkische Beobachter bereits am 6. 4. 1938 in München, der „Stadt der Deutschen Kunst“, auszustellen. Man wundert sich nicht, daß Sergius Pauser hier an erster Stelle erwähnt wird: „Die graue Winterluft über braunen Dächern“, so schreibt der Rezensent über seine Aquarelle, „der Nebelduft im Moor und über Wiesenstreifen, der gelbe Schein des Lichts, der flüssig über den Rasen ausgeschüttet ist, dahinein die dunklen Gerippe der Obststämme ihre blätterschweren Zweige sprühend tauchen, oder die rote Glut des Eisenstroms unter dem dunklen Trägergerüst der Fabrikhalle sind vielleicht die stärksten künstlerisch-dichterischen Impressionen dieser Art in der ganzen Ausstellung.“ Zwei Tage später bringt der Völkische Beobachter eine Reproduktion von Pausers Aquarell „Hochofenabstich“ („Aus einem Hüttenwerk“). Die Aufnahme der Wiener Secessionisten war in einer kurz danach durch Deutschland ziehenden Gemäldeausstellung ähnlich günstig. Pauser war einer, den die Kritik stets besonders hervorhob. Er hatte die Pariser Landschaft („Blick von Nôtre Dame“), einen Herbststrauß, einen Akt, die „Dame in Schwarz“ und das Kostümbild seiner Frau (mit Federhut) eingesandt. Im Stuttgarter Kunstgebäude lobten die Rezensenten der Württemberger Zeitung (17. Juni 1938) und des Schwäbischen Merkur (23. Juni 1938) das Kultivierte, Zarte, die malerische Diskretion und das Menschliche, die Sicherheit der Komposition und die fabelhafte Beherrschung des Handwerklichen. In der Württemberger Zeitung ist auch das Portrait seiner Frau abgebildet. Die Cannstätter Zeitung stellt das Pariser Stadtbild in die Nähe Kokoschkas. Im Wiener Echo (13. Juli 1938) lobt ein Korrespondent vor allem den unnachahmlichen Realismus im Detail; das Bildnis seiner Frau (mit Boa) ist abgebildet. Auch die Frankfurter Zeitung (3. August 1938) ist voll des Lobes. Das Kolorit des Halbaktes wird sogar an Renoir gemessen, wobei Pausers pointiertere Qualitäten betont werden.

Es scheint sich vorerst nichts geändert zu haben. Dies zeigt uns die Malweise des Portraits der Frau des Bildhauers Fritz Behn aus dem Jahre 1939. Da erfährt Pauser durch die Frau des Architekten Paul Ludwig Troost im Jahre 1939 von Hitlers Zornausbruch bei der letzten Ausstellung im „Haus der Kunst“ in München, wo er alle modernen Gemälde als entartet bezeichnete. Pauser war tief beunruhigt und stand unter schwersten Depressionen. Wochenlang war er nahezu unansprechbar und arbeitsunfähig. Er fürchtete, mit seiner Kunst gleichfalls von einem Ausstellungsverbot betroffen zu werden. Ein Funktionär des Künstlerhauses hatte ihm schon 1938 nahegelegt, ins Ausland zu gehen. So sah er sich vor die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten gestellt. Die erste, ein Angebot nach Pittsburgh anzunehmen, schlug er aus. „Ich würde krank vor Heimweh“, sagte er. So blieb für ihn nur die andere Möglichkeit, auf eine Technik zurückzugreifen, von der er hoffte, auch weiterhin sein künstlerisches Anliegen verwirklichen zu können: er orientierte sich an der Technik der alten Meister. Kurz danach begann er zu experimentieren: er leitete seine Maltechnik von Dörner ab und beschäftigte sich mit Detailstudien. Immer wieder probierte er und zerstörte er. Tagelang konnte er an einem Ohr, an einer Wange oder an einem Mund malen, erprobte Malmittel und setzte behutsam die Höhungen; so berichtet uns seine erste Frau Anny. Er entwickelte auch eine schnelle Lasurtechnik ohne Tempera-Weiß, wie nur er sie beherrschte. Später wurde er sogar Wiederentdecker der Holbeinschen Technik genannt, denn gerade dieser Maler war ihm unter den alten Meistern ein geliebtes und hohes Vorbild. Wir können uns jedoch kurz fassen, da es sich um ein Abschwenken auf ein anderes Gebiet handelt, das außerhalb der eigentlichen künstlerischen Entwicklung steht. Betrachtet man die Bilder jener Zeit – auch die vorzüglichsten dieser Art, wie beispielsweise das Portrait der Gräfin Dessewffy, geborenen Henckel-Donnersmarck, oder das anmutige Kinderbildnis der Barbl Trenker mit ihrer Puppe – dann wundert man sich, daß derselbe Künstler noch vor kurzem die Traumvision oder die Pariser Landschaft oder jenen großartigen Grafen Stadniecki gemalt hatte. Diese konträren Welten lebten tatsächlich in ihm und konnten nebeneinander existieren.

Die technische Fertigkeit war jedoch keine Sackgasse, in die Pauser geraten war. Die betriebenen Studien bedeuteten ihm selber viel und halfen ihm vielleicht zum nächsten Schritt auf seinem Lebensweg: zum Lehramt an der Akademie. 1942 erhielt er eine Berufung an die Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe. Er lehnte jedoch ab. „Meine Heimat verlasse ich nicht“, soll er, wie schon vorher gegenüber dem Amerikaangebot, geäußert haben. Doch man sprach nun einmal über Pausers Berufung. Immerhin hatte er 1942 den Baldur von Schirach-Preis erhalten. Schirach aber hatte ursprünglich, wie Anny Pauser berichtet, den Maler Andreas Patzelt protegiert. Der Reichserziehungsminister Dr. Rust setzte sich dagegen für Hans Schachinger ein, während Architekt Alexander Popp, damals Rektor der Wiener Akademie, vehement für Pauser eintrat. Eine Ausstellung im Künstlerhaus soll die Möglichkeit geboten haben, den Reichsstatthalter von seiner vorgefaßten Meinung abzubringen; er entschied sich für Pauser.

Im Sommer 1942 bekam Pauser die Einberufung zum Militär, die ihm einen Schock versetzte. Er konnte jedoch durch ein Nierenleiden, mit dem er auf der urologischen Abteilung in einem Wiener Krankenhaus behandelt wurde, und durch sein am 20. November 1942 von der Wiener Akademie befürwortetes Ansuchen, seine UK (Unabkömmlichkeits)-Stellung erreichen. Am 1. März 1943 wird Pauser die Leitung der Meisterschule für Bildnismalerei übertragen und noch im selben Jahr erhält er den Titel eines außerordentlichen Professors.

In den Akten der Akademie findet sich ein nicht gezeichneter Eignungsbericht vom 30. Juli 1943, der das Ergebnis seines Arbeits- und Lehrerfolges als ausgezeichnet und das Resultat der Schülerarbeiten als überraschend bezeichnet. Dennoch konnte seine Lehrtätigkeit infolge der immer steigenden Zahl der zum Kriegsdienst Einberufenen keine große Resonanz finden.

Trotz der Wertschätzung der Bilder Pausers, auch durch die Machthaber dieser Zeit, war seine Einstellung zum Regime nicht verborgen geblieben. So kam es, daß er im Herbst 1944 mit fünftausend sogenannten „Politisch Unzuverlässigen“ in ein Schanz-Lager bei Radkersburg gebracht wurde. Der Schauspieler Curd Jürgens, der auch bei diesem Transport war, schreibt über diese Zeit: „… Ich weiß, daß Sergius sowohl als auch Boeckl … recht viel Unangenehmes durchmachen mußten, da die SA-Bewacher mehr und mehr die Nerven verloren und dies an den Gefangenen ausließen.“

Am 27. März 1945 tritt Pauser einen vierwöchigen Krankenurlaub an, der von der Reichsstatthalterei genehmigt wird. Pausers Ehe mit Anny war inzwischen in eine Krise geraten – Anna Leiter, genannt Ninon, hatte ihn fasziniert – und so erlebt er das Kriegsende in seinem Haus in Waidhofen unter schweren Depressionen.

 

DER AKADEMISCHE LEHRER, DER PORTRAITIST UND DER LANDSCHAFTSMALER NACH 1945

Am 6. Juni 1945 erhält Pauser, geschrieben auf dem Briefpapier des Bürgermeisters der Stadt Wien, von dem Stadtrat für Kultur- und Volksbildung, Dr. Viktor Matejka, einen Brief nach Waidhofen, der folgendermaßen beginnt: „Sehr geehrter Herr Professor! Als einen der wenigen Nicht-Parteigenossen in dem vernazten Professorenkollegium der Akademie der bildenden Künste in Wien würde ich Sie gerne in Wien begrüßen …“. Pauser, zuerst im allgemeinen Arbeitseinsatz in seiner Heimatstadt, dann von der russischen Besatzungsmacht als Künstler „entdeckt“, hatte dort die Aufgabe, unter militärischer Beaufsichtigung Lenin, Stalin und andere Persönlichkeiten nach Zeitungsausschnitten zu malen. Durch die Intervention des Wiener Stadtrates bei der zuständigen sowjetrussischen Militärdienststelle konnte er Waidhofen schließlich verlassen.

An der Akademie in Wien hatte der Maler Rudolf Hausner im Auftrag Professor Herbert Boeckls das Atelier Pausers zum Schutz vor möglichen Plünderungen bewohnt und dadurch retten können. Dennoch erwartete Pauser keine leichte Aufgabe, denn hier hatte es eine heftige Auseinandersetzung um die Person Boeckls, den ersten Rektor der Akademie im neuen Österreich gegeben. Nachdem Boeckl unter dem Druck der damaligen politischen Verhältnisse sein Amt als Rektor vorübergehend niederlegen mußte, wurde Pauser am 25. Juli mit der Führung der Rektoratsgeschäfte betraut. Er fühlte sich jedoch durch die Aufregungen in der damaligen Zeit überfordert und blieb der 6. Akademiesitzung im Herbst 1945 fern. In dieser wurde Prof. Boeckl zum Rektor gewählt, Pauser zum Prorektor. Am 1. Juli 1947 wurde Pauser zum ordentlichen österreichischen Hochschulprofessor ernannt.

Der Anblick der zerstörten Stadt Wien brachte den sensiblen und in einer persönlichen Krise befindlichen Künstler in eine tiefe seelische Erschütterung. Angeregt durch den Brand des Opernhauses malte er sein zweites Katastrophenbild – eine brennende, zerstörte Stadt, über der ein Engel des Unheils schwebt.

Doch wie steht es zunächst um den akademischen Lehrer Pauser, der ab 1945 eine neue Generation von Malern heranbildet? Die Zeit hatte sich nun entschieden geändert. Österreich, während sieben Jahren vom internationalen Kunstgeschehen abgeschlossen, hatte plötzlich wieder Kontakte erhalten. Die Erschütterung des Krieges war an der Kunst nicht spurlos vorübergegangen. Einerseits hatte eine aus schmerzlichen Erfahrungen kommende Skepsis viele Künstler ihrer Ideale beraubt, andererseits führte die Unglaubwürdigkeit des Traditionellen zu einer Revolution, wie man sie in Österreichs Kunstleben noch nicht gekannt hatte.

Welche Sicherheit konnte ein Maler vom Format eines Sergius Pauser in einer solchen Welt des Umbruchs finden? Längst nicht mehr stand er in der vordersten Reihe einer künstlerischen Jugend. Er hatte sich in seiner Malerei auch nicht mehr erneuert, war problemloser und zuletzt auch altmeisterlich geworden. Es ist ein glücklicher Umstand, daß wir unter den wenigen Selbstäußerungen des Künstlers gerade aus der unmittelbaren Nachkriegszeit einige Erklärungen besitzen, die uns eine sichere Grundlage für die Beurteilung seiner Auffassungen geben.

„Ein Gespräch über Malerei“, das Wulf von Stratowa mit ihm führte, ist im Heft 6/7 der Europäischen Rundschau des Jahres 1946 erschienen. Ausgangspunkt dafür war Pausers Mädchenbildnis mit dem blauen Umhang, „Christine von Bachmayr-Heyda“, aus dem Jahre 1943, das über die exakte Durcharbeitung des Abbildes einen feinen malerischen Schleier gelegt und sich nur in den Gewandpartien Freiheiten eines pastoseren Farbauftrages gestattet hatte. Darauf bezugnehmend und mit dem Ton einer gewissen Rechtfertigung sagt Pauser über seine altmeisterliche Technik: „Sie war mir eine Bekräftigung meines eigenen Ichs, eine Erprobung meines technischen Könnens …“. Pauser war zutiefst davon überzeugt, daß es in allen Stilrichtungen der Kunst letzten Endes nur auf die Qualität ankäme. „Der Scheinwerfer dreht sich beständig“, zitierte er sinngemäß José Ortega y Gasset, „und stellt immer etwas anderes in seinen Lichtkegel. Doch die wahre Qualität behält auch im Schatten ihren Wert.“ Freilich wurde ihm eine solche Überzeugung nicht mühelos zuteil, das zeigt sich schon darin, daß Pauser in Zeitungsinterviews öfter auf diese Themen zu sprechen kommt. Es mußte ihn doch auch berühren, daß der Mensch, dessen Darstellung er seine Kunst und sein Leben gewidmet hatte, plötzlich aus ihr ausgestoßen war, daß es malerische „Konstruktionen“ gab, die in völliger Unkenntnis, ja Mißachtung der von ihm so verehrten abendländischen Tradition geschaffen waren. Im Jahre 1950 gibt er Johann Muschik ein Interview, das dann im Dezember im „Tagebuch“ veröffentlicht wurde. Es kreist wieder um die gleiche Problematik, doch nun zeigt sich ein sichtliches Bemühen um das Verständnis einer Zeit, an deren Entwicklung er nicht vorbeigehen konnte. „Die Malerei ist im Begriff“, erklärte er, „sich von Schweiß und Mühen zu befreien. Uns Älteren, die wir durch das Naturstudium und den Naturalismus hindurchgegangen sind und uns mit der Bewältigung ihrer Probleme ungeheuer plagten, uns lehrt die moderne Malerei, daß ein Bild auf eine viel direktere Weise wirken kann, daß nicht mehr Menschen und Gegenstände eingesetzt werden müssen, um dem Bild einen Sinn zu geben, daß die Stufe der reinen, der absoluten Malerei erreicht worden ist, auf der die Hemmung durch den Gegenstand wegfällt.“

Es scheint, als ob hier ein alter Wunschtraum, den Pauser schon 1937 beim Erklären seiner Traumbilder geäußert hatte, in Erfüllung ginge. Seine Anerkennung erhält aber zuletzt einen leicht wehmütigen Unterton: „Die neue Malerei hat Parallelen zur Musik, von der wir ja auch nicht mehr verlangen als unmittelbare Wirkung auf das Gefühl. Das Anekdotische, das Literarische in der Malerei ist nun nicht mehr nötig. Dieser völlige Umschwung, diese Eröffnung von bisher ungekannten Möglichkeiten sind es, die in uns Malern der älteren Generation einen Zug zur Moderne geltend machen, uns an uns selber oft zweifeln lassen.“ Letztlich aber bleibt sein persönlicher Standort doch unerschütterlich: „Wir glauben uns noch immer dazu verpflichtet, das Gewachsene, von alters her Gewordene zu bewahren, das, was die Öffentlichkeit noch immer von der Malerei fordert, zu erfüllen.“ „Denn“, so schließt Pauser, „der Baum und die Landschaft und die Erscheinung des Menschen, die schon so oft und so gut gemalt wurden, sie fesseln immer noch, lassen einen nicht los, es ist, als träten sie immer wieder neu vor einen hin.“

Pauser konnte seine Überzeugung aus seinen Leistungen ableiten. Er hatte die Kraft, unmodern zu werden. In den wenigen Jahren nach dem Kriegsende hatte er seine Stellung als führender Portraitmaler neuerlich behauptet. Sein erster Biograph Rudolf Haybach, der 1949 im Selbstverlag der Wiener Secession eine kleine Publikation über ihn herausbrachte, schrieb unter anderem die treffenden Worte: „Pauser ist Mensch der Ordnung, der gesicherten und selbstbewußten Existenz. Er kann es sich leisten, die Welt in ihrer scheinbaren Verworrenheit zu nehmen, so wie sie ist. Ja, er hat vor der Wirklichkeit gleichsam einen religiösen Respekt, der keine Änderung zuläßt. Er kann auch gar keine Wandlungen zulassen, da er eigentlich schon in Ordnung erschaut, was anderen ungeordnet erscheint und weil er damit nur sein eigenes Wesen bestätigt . . Es ist außerordentlich erfreulich, . . . in Pauser den Mann zu sehen, der solcherart klassische Schönheitsideale durch die Zeit rettet.“

In der Ausstellung der Wiener Secession des Jahres 1950 haben seine Bilder wieder einen starken Eindruck hinterlassen: seine Damen- und Herrenbildnisse, vor allem aber die grandiose Ansicht der Brücke von Istanbul, die er anläßlich seines Besuches bei seinem Freund Clemens Holzmeister im Jahre 1950 gemalt hatte. „Ich war überwältigt, und ein wahrer Schaffensrausch überkam mich bereits bei der Ankunft in Istanbul“, erzählte Pauser. Diese Weltlandschaft aus Pinselstrichen hat man des öfteren mit den späten Städtebildern Oskar Kokoschkas verglichen. Tatsächlich werden sich einige Landschaftsbilder der beiden Maler, die aus dem selben Kulturraum stammen, ähnlich.

Auf dem Gebiet des Portraits war Pauser so gut wie konkurrenzlos geworden. 1947 entstand die bekannte Darstellung Leopold Rudolfs, die den Schauspieler in effektvollstem Ausdruck zeigt: die Hand auf die Brust gelegt, den Kopf erhoben, den Mund leicht geöffnet, die Augen fragend emporgerichtet; die Pinselstriche sind von Erregung erfüllt. Das Licht hebt Hand und Kopf wie in einem Scheinwerferkegel heraus, auch die Lichter des Hintergrundes spielen mit. Man muß an diesem Bild nur sehen, wie ausgewogen der Dargestellte in den Bildraum gesetzt wurde, wie die hellen Farben unterhalb des Kopfes die Balance halten und so das übermäßig Plastische in die Fläche einbinden. Das Momentane wird in etwas Dauerndes übertragen, das dem Effekt sein Vergängliches nimmt und so dem Blick des Betrachters auch immer wieder begegnen kann, ohne „ausgeschaut“ zu sein. Dabei wird uns noch ein wesentliches Element deutlich: Pauser malt keine Szenen, sondern Zustände, selbst in solch extremen Posen. Vier Jahre später, durch die Scheidung von seiner Frau Anny im Jahre 1951, hatte Pauser auch ein Stück seiner geliebten Heimat, an der er Zeit seines Lebens hing, verloren. Angela Müller, seit 1951 die neue Gefährtin seines Lebens, sollte seine zweite Frau werden. „Ich kann nicht in der Stadt leben“, sagte Pauser immer wieder. Und als sie ein entsprechendes Haus gefunden hatten, fern der Stadt, wurde am Silvestertag des Jahres 1955 Hochzeit gefeiert. Am ersten Jänner 1956 zog Pauser mit seiner jungen Frau Angela in das Haus in Kritzendorf, Hauptstraße 82a, eines der frühen modernen Häuser in Österreich, das der Architekt Walter Loos 1931 gebaut hatte. Dieses Haus mit seinem gepflegten Terrassengarten und seinen Feuerstellen wurde auch Ort anregendster Geselligkeit in einem Kreis, zu dem unter anderen bekannteste Maler, Architekten, Bildhauer und Dichter der älteren sowie der jüngeren Generation gehörten. Hier wuchs auch sein am 4. Jänner 1959 geborener Sohn Wolfgang heran.

In dieser neuen Umgebung wurde Pauser vor allem durch die Urtümlichkeit der Donau-Auen gefesselt, deren Stimmungen er in Aquarellen einfing. Aber auch Motive der Stadt Klosterneuburg und der stillen, herbstlichen Kellergassen von Stammersdorf jenseits der Donau regten ihn zu Bildern an. Dort war es auch, wo er mit seinen Schülern Abende verbrachte, die durch freimütige Offenheit der Gespräche die Kontakte vertieften und festigten.

Doch kehren wir zum Jahr 1950 zurück. In diesem Jahr entstand wieder eines seiner vorzüglichsten Bildnisse, das des Präsidenten der Österreichischen Nationalbank Dr. Rizzi. Wir blicken hier nochmals zurück auf das Bild des Grafen Stadniecki. Ruhe und Bestimmtheit auch jetzt, aber nicht mehr im vitalen Ausdruck des Lebens, sondern in geistiger Entschiedenheit. Pauser wußte auf sein jeweiliges Modell einzugehen, dennoch ist diese reife Leistung Frucht seiner persönlichen Erfahrung. Es liegen seltene Klarheit, geistiges Durchleuchtetsein, energische Harmonie im Bild Dr. Rizzis. Alle Valeurs sind von feinster Kultur. Dieses Werk, nach einem ersten mißlungenen Versuch in einem Ansturm gemalt, zeigt das Aufblitzen des Genies. Pauser mußte sich etwas völlig zu eigen machen, um dann von innen heraus die gültige Form zu finden.

Vielleicht sollte hier nun einiges über das Portraitieren, so wie es seine Frau Angela schildert, vermerkt werden. Vor den Sitzungen, aber auch schon am Abend vorher, war Pauser voll Unruhe und Spannung, auch von Zweifeln geplagt, ob es ihm gelingen werde, die Aufgabe so zu lösen, daß sich seine Vorstellungen dann erfüllten; alles lag noch im Bereich des Ungewissen. Vor dem Modell war Pauser nie gesprächig. Er mußte den Menschen, der ihm gegenüber war, erst als Maler kennenlernen. Vor Beginn des Portraitierens war ihm das „Einrichten“ beziehungsweise das „Setzen“ des Modells wichtig. Die Leinwand war immer schon vor der Sitzung vorbereitet, mit verschiedenen tonigen Farbschichten vorgespachtelt. Der Reiz des scheinbar Zufälligen regte ihn an; nie begann er sein Bild auf einer weißen Leinwand. Daher kam es, daß er auch oft seine besten Bilder übermalte: „Je besser der Malgrund, desto besser das neue Bild.“

Dr. Hans Mück schreibt am 11. Dezember 1955 im Neuen Österreich: „Österreichische Bundespräsidenten, wie zuletzt General Körner, Bürgermeister und Stadträte von Wien, Schauspieler, Mitglieder der Besatzungsmächte, Architekten, Industrielle, ihre Frauen und Töchter, sie alle sah das Atelier Sergius Pauser, als er sie malte, repräsentativ, bedeutend, vom Geist einer Rolle durchglüht, liebenswürdig und charmant, aber auch von Sorgen und Problemen erfüllt, wie sich eben das Modell dem Künstler stellte. Daß Pauser, ohne Modemaler zu sein, ein gesuchter Portraitist ist, verdankt er seinem großen und sicheren Können.“

Doch gerade in diesem Jahr hatte ein anderer Maler einen ihm zugesagten Auftrag übernehmen müssen und damit Schlagzeilen in der Presse gemacht. Es ging um kein Portrait, wie damals, als Pauser und Wilhelm Kaufmann 1948 ein Bild des Bundespräsidenten Dr. Karl Renner gleichzeitig vor dem Modell gemalt hatten, sondern um das Festhalten eines hochpolitischen Ereignisses, um den Abschluß des österreichischen Staatsvertrages im Wiener Belvedere. Pauser war vom Bundesministerium für Unterricht dazu beauftragt worden und war deshalb beim historischen Akt der Unterzeichnung des Staatsvertrages am 15. Mai 1955 im großen Festsaal des Oberen Belvederes anwesend, um aus dem unmittelbaren Erlebnis heraus Skizzen anzufertigen, an Hand derer er später nach Portraitstudien der anwesenden Persönlichkeiten ein Ölgemälde erarbeiten könne. Für Pausers Ölskizze aber hatte eine entscheidende Persönlichkeit der Regierung allerdings wenig künstlerisches Verständnis. So entzog man ihm den Auftrag und übertrug ihn dem Maler Robert Fuchs, der ihn auf Grund von Fotografien ausführte. Die Affäre der Auftragsabänderung wurde heftig diskutiert, wobei die Kunstwelt eindeutig die Partei Pausers ergriff. Der „Kurier“ berichtete über das Ereignis unter dem Titel „Österreichische Tragödie“. Pauser selbst aber schwieg in seiner vornehmen Art zu diesen Begebenheiten. Er hatte Freude an seiner Skizze und fertigte noch einige Varianten davon an.

Pausers Schaffen stand auch weiterhin im Mittelpunkt von Ehrungen. 1955 wurde sein Gemälde „Hôtel de Ville, Paris“ durch die Gesellschaft zur Förderung österreichischer Kunst (Vereinigung österreichischer Industrieller) prämiiert, und im selben Jahr erhielt er den Preis der Stadt Wien. 1956 reiste er nach China, hielt in Shanghai über Einladung der Akademie einen Vortrag über die „Freiheit der Kunst“, für den er heftigen Applaus erntete, und kehrt mit farbig interessanten Ölbildern und Aquarellen wieder in seine Heimat zurück. Im selben Jahr erhielt er bei einem internationalen Wettbewerb in Stuttgart unter dem Motto „Maler sehen Stuttgart“ mit seinem Gemälde „Stuttgart“ (I) [Hochhäuser vor der Stadt] den dritten Preis; der erste Preis wurde nicht vergeben. Anläßlich seines 60. Geburtstages überreicht man ihm im Jahre 1957 das Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft erster Klasse. Eine Kollektivausstellung, um deren Zustandekommen sich Präsident Franz Josef Mayer-Gunthof besonders verdient gemacht hat, wurde von der Wiener Akademie und der Gesellschaft der Freunde der Wiener Secession veranstaltet. Sie bot einen Querschnitt durch sein Schaffen. Die Kollektivschau (15. III. – 23. IV.) füllte mit 52 Ölbildern, 46 Aquarellen und einer Fotodokumentation einiger wichtiger nicht erreichbarer Arbeiten die Ausstellungsräume der Akademie. So bot sich der Kunstkritik und den an der österreichischen Malerei Interessierten ein Überblick, der die Position Pausers in der österreichischen Kunstgeschichte markierte. „Maler des Wienerischen“, „Magier der Farbe“, „Kunst ohne Künstelei“, „Der Gentleman als Maler“, „Ein Lebenswerk in Farben“ lauteten einige der Überschriften der damals erschienenen Kritiken. Man lobte besonders seine Bilder „Blick auf Wien“, „Place de la Concorde“, „Ansicht von Istanbul“ oder „Huang Pu in Shanghai“, diese eindrucksvolle in den farbigen Raum ziehende Stadtlandschaft. Unter den vielen Würdigungen, die damals erschienen, seien zwei auszugsweise herausgegriffen. So schreibt Jörg Lampe am 17. März 1957 in der Presse: „Er will die Oberfläche nicht verletzen, sondern im Gegenteil, sie zum farbigen Klingen bringen, was ihm geradezu als das Hauptziel seiner Malerei erscheint. Noch deutlicher tritt das in seiner Aquarellmalerei hervor, die manchmal fast bezeichnender für seine Malerei überhaupt steht, als die in Öl. Beim Aquarell nämlich wird dieses Klingen der Töne und des Atmosphärischen in Pausers Motivwelt fast am reinsten realisiert, wenngleich auch am ungeschminktesten an die Oberfläche abgeschoben.“ Den Menschen und Künstler Pauser charakterisieren die Salzburger Nachrichten vom 27. März desselben Jahres: „Er hat sein Leben lang korrekt gemalt, ohne viel Aufhebens, aber mit stets zuverlässiger Solidität . . . Als einzigem unter den österreichischen Malern gelingen ihm überzeugende Portraits schöner Frauen und kostbarer Blumen, als einziger auch weiß er Eleganz nicht als einen Effekt unter anderen, sondern als einen echten ästhetischen Wert zu würdigen und darzustellen. Einige Male hat er sich auch in Traumbildern – frei nach Chagall und anderen – versucht, aber die sind ihm nicht geglückt. Wie sollten sie es auch? Ein Herr delektiert sich nicht an seinem Unterbewußtsein, noch an dem der anderen. Die großen Leistungen Sergius Pausers sind indessen in seinen Landschafts- und Städtebildern zu finden. Das sind wahre Meisterstücke, Beispiele sondergleichen dafür, daß auch hierzulande die wahre und reine Malerei noch bedeutender Werke fähig ist . . . Ein Maler, der niemals an Intrigen teilgenommen hat, von dem man noch kein böses Wort über einen Kollegen gehört hat; ein Akademieprofessor, dessen Schüler etwas gelernt haben; ein Künstler, dessen Oeuvre kunstgeschichtsreif ist, ehe er es noch vollendet hat.“

 

PAUSER ALS LEHRER

Bedenkt man, daß Pauser, der den jungen Künstlern, die in seinen Malklassen arbeiteten und die nach dem Krieg, ihrer jeweiligen Auffassung gemäß, ganz andere Ziele verfolgten als er, wohl als konservativer und traditionsgebundener Maler erscheinen mußte, aber dennoch gerade von ihnen als wirklich moderner Lehrer der Akademie gepriesen wird, so muß man auch dem Lehrer Pauser mit Achtung begegnen. Und diese Achtung, wie viele Urteile seiner Schüler übereinstimmend lauten, resultiert aus der Autorität seiner Persönlichkeit, aus der Autorität seines hohen technischen Könnens und aus seiner Toleranz. Er war ein strenger Lehrer, aber ein verstehender. Der Andrang zu seiner „Meisterschule für Bildnismalerei“ war kaum zu bewältigen; es war ihm aber ein Anliegen, eine strenge Auswahl zu treffen, denn als ein wesentlicher Faktor erschien ihm, wie die jungen Künstler einander beeinflussen und einander erziehen. Was wir schon des öfteren im Leben Pausers erkannten, das Nebeneinander verschiedener Ambitionen, kam an der Akademie ganz offen zum Ausdruck. Hier waren, wie Pausers Assistent Hansjörg Vogel, dem ich viele Auskünfte verdanke, berichtet, klar getrennte Welten: ein Mischtechnikraum, in dem die altmeisterliche Technik gelehrt wurde, und ein sogenannter Spachtelraum, wo Akt und Portrait unterrichtet wurden. Und dieser Mischtechnikraum war es auch, in dem die neue Generation an Malern, vor allem jener Richtung, die heute unter dem Begriff des phantastischen Realismus zusammengefaßt wird, gelernt hat. Allen Schülern gemeinsam aber oblag die Teilnahme an den Übungen der Komposition, bei denen wöchentlich die entstandenen Schülerarbeiten der verschiedensten Stilrichtungen in einem gemeinsamen Schüler-Lehrer-Gespräch zur Diskussion gestellt wurden. Und dieses Fundament gründlichster technischer Vorbildung war ganz allgemein für jeden jungen Maler gedacht gewesen. Diesbezüglich gibt ein Artikel in der „Welt am Montag“ (13. Mai 1946), dem ein Gespräch mit Pauser, dem eben zum Prorektor gewählten Professor, zugrunde liegt, eine gute Vorstellung von seinen Ansichten. Man liest hier unter anderem: „Viele ,moderne’ Maler beginnen, ohne auf den bisherigen Erkenntnissen der Malerei zu fußen…, aus sich, und nur aus sich heraus Neues zu schaffen.“ Nach Ansicht Pausers haben sie eine Beziehungslosigkeit zur Welt, und er sagt weiter: „Je mehr sich ein angehender Künstler mit den Problemen der Vergangenheit befaßt, je mehr ist er den Anforderungen der neuen Malerei gewachsen und kann nicht mehr dazu verleitet werden, in leichtfertiger Weise ‚modern’ zu malen und dabei äußerlich zu werden und den Inhalt schuldig zu bleiben.“ Auf diesem soliden Weg des Könnens und der Beherrschung der Mittel konnte der Weg zur persönlichen Freiheit angetreten werden.

Durch Pausers Schüler Ludwig Neuhauser, der jetzt als Maler und Restaurator in Innsbruck arbeitet, ist uns die Mitschrift einer Vorlesung seines Lehrers über das Portrait, über Komposition und Kompositionsgesetze erhalten. Als Vortragender wirkte Pauser eher gehemmt, doch kaum hatte er ein Beispiel aus der Praxis gewählt, wurden die Schüler faszinierte Zeugen seiner Erlebnisfähigkeit. „Das Portrait ist zweckbestimmt“, so begann Pausers Vorlesung, „es soll der Erinnerung an das Äußere und an die Persönlichkeit eines Menschen dienen. In der Durchführung ist das Portrait streng naturalistisch; hier gibt es zunächst keine Stil- oder Kunstrichtung (Kubismus, Expressionismus oder Impressionismus). Die Hauptforderung ist die Ähnlichkeit, sowohl die psychische als die physische.“ Und dann ging er die Details durch. Seine kompositorischen Anweisungen waren auf Harmonie und Gleichgewicht der Seheindrücke ausgerichtet. Auch bezüglich Licht, Farbe und Raum wurden praktische Ratschläge erteilt. Alle diese Dinge, so heißt es, drückt die bildende Kunst gefühlsmäßig aus.

Pausers Schülern war es nur selten möglich, beim Malen ihres Lehrers dabei zu sein. Aber einmal malte er auf ihren Wunsch (aus dem sicheren Besitz bereits gewonnener künstlerischer Vorstellung) ein Aquarell von Shanghai vor ihnen. Sie staunten über das Hineinmalen, Wegnehmen oder das Herauswaschen der Nebel, vor allem aber darüber, wie er mit dem nassen Pinsel über das Aquarell spritzte. Das war freilich nicht zu lehren.

Pauser hatte mit seinen Schülern ein kameradschaftlich-freundschaftliches Verhältnis. Obwohl er seine Gefühle verbarg, wodurch bei manchem die Empfindung der Distanz aufkam, so hatte man doch bald erfahren, daß der Mann strenger Pflichterfüllung und Selbstsicherheit im Inneren wie eine Mimose sein konnte und auch von stärksten Zweifeln befallen war. Die Art seiner Menschlichkeit war es, die ihn so liebenswert machte; sie wurde fühlbar, auch wenn so manches unausgesprochen blieb. Giselbert Hoke nannte ihn in seinem Kondolenzbrief an die Witwe Angela einen Vater vieler Maler, und Albert Paris Gütersloh findet in seiner Laudatio des Jahres 1965 über Pausers Verhältnis zu seinen Schülern folgende Worte: „Ohne die Befehle, denen er gehorsamt, auf jene zu übertragen, erlaubt er ihnen Freiheit, so zu bilden, wie es ihrem innersten Wesen entspricht. Er ist – darf man sagen – das Vorbild eines akademischen Lehrers.“

 

DIE LETZTEN JAHRE SEINES LEBENS

Man ist oft geneigt, das reife Lebenswerk eines Malers geringer zu achten, weil es gegenüber dem Frühwerk seine Spannungen, das Suchende, den interessanten Wandel der steten Entwicklung, verloren hat. Begreiflicherweise fasziniert zunächst dieses Emporstreben einer schöpferischen Persönlichkeit, deren Schicksal mit allen wirksamen Kräften der Zeit durch vielfache Fäden verbunden ist. Als Einzelner setzt sich der junge Künstler mit einer Vielfalt von Zeitströmungen und Zeitempfinden auseinander oder setzt sich über sie hinweg und scheint der Gegenwart voranzueilen. All dies kann das Werk eines reifen Künstlers nicht mehr bieten. Er selbst ruht in sich, in einer nach vielen Stürmen erworbenen Harmonie. Die Jugend sieht darin oft nur den Ausdruck der Generation des Gestern, sieht eine Kunst, von der man wohl lernen kann, jedoch mit der Absicht, es letztlich ganz anders zu tun. Nur wenige bewundern in dem reifen Künstler die große Persönlichkeit, die schließlich in weiser Abgeklärtheit erscheint, Ruhe und Sicherheit ausstrahlt. Seine Welt-an-schauung in des Wortes eigenster Bedeutung ist es nun, die den, der bereits einen Sinn dafür hat, zu beglücken vermag. Gestaltung und Farbigkeit sind vielleicht weniger engagiert, dadurch aber gütiger, abgeklärter.

In diesem einer Beruhigung des künstlerischen Ausdrucks zustrebenden Maler war die Sehnsucht nach der vertrauten Bergwelt lebendig. Es lockte ihn das Gebiet um den Traunstein, in dem es auch persönliche Bindungen gab; sein Vater hatte in seinen letzten Lebensjahren als Dentist in Gmunden gewirkt. Diese Hintergründe muß man bedenken, denn sie waren mit ausschlaggebend, als es im Mai 1962 zur Erwerbung eines alten Bauernhauses in Traunkirchen kam. Es sollte sein Alterssitz werden, wo in der Stille der ihn umgebenden Natur noch so manches Werk entstehen konnte.

Eine Fülle von Aufträgen und eine Reihe von Ehrungen begleiteten auch weiterhin und bis zuletzt Pausers Lebensweg. 1965 wurde ihm vom Unterrichtsministerium der Große Österreichische Staatspreis verliehen, und 1966 erhielt er anläßlich seines siebzigsten Geburtstages drei Auszeichnungen: das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, den Kulturpreis des Landes Niederösterreich und die Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold. 1967 benannte Waidhofen an der Ybbs, die Stadt seiner Kindheit, seiner Jugend und seines langjährigen Aufenthaltes, in dem Vorort Zell, wo auch sein Vaterhaus steht, eine Straße nach ihm.

Im Wintersemester 1966/67 erfolgte nach fast 24jähriger Lehrtätigkeit seine Emeritierung als Hochschulprofessor. Er zog sich zurück in sein Haus in Kritzendorf oder in sein Landhaus bei Traunkirchen, das er mit seiner Frau Angela sehr gemütlich ausgestattet hatte. Man nannte Pauser, dessen vornehme äußere Erscheinung sich fast nicht verändert hatte, „den ewigen Jüngling“, in seinem Traunkirchner Freundeskreis aber, zu dem Thomas Bernhard und die Architekten Viktor Hufnagl und Prof. Johannes Spalt gehörten, den „Weisen vom Pauserhäusl“.

Umso überraschender und bestürzender war die Nachricht, daß Sergius Pauser am 16. März 1970 unerwartet im 74. Lebensjahr in Klosterneuburg gestorben war. Die Beerdigung erfolgte auf seinen ausdrücklichen Wunsch im engsten Freundeskreis. Die Stadt Wien widmete ihm ein Grab im Ehrenhain am Zentralfriedhof. Zahlreiche tief empfundene Kondolenzschreiben von Menschen, die ihn und seine Kunst liebten, trafen ein. In einer Ansprache am offenen Grab hören wir die Worte des Rektors: „Pauser hat diese Welt geliebt, in seinen Bildern diese Freude beschworen, immer wieder hineingetragen in das weite, schönste Blau.“ Im Jahrbuch der Innviertler Künstlergilde des Jahres 1970/71 erscheint von Heribert Hutter, dem Kunsthistoriker der Wiener Akademiegalerie, ein Nachruf, der sein Schaffen würdigt und zusammen mit der Wiedergabe einiger seiner bedeutendsten Bilder noch einmal einige Stationen seines Lebensweges in Erinnerung ruft. Sonst aber wurde es still um den vielgeehrten Künstler. „Kleine Notizen in den Tagesblättern“, schreibt der Maler Erich Huber in seinem in den Politischen Perspektiven im Juli/August 1970 erschienenen kurzen Nachruf, „informierten die Leser so, wie man über kleine Ereignisse zur Tagesordnung übergeht. Für Sergius Pauser, der ein Leben lang voll feinfühlender Bescheidenheit war, der nie Böses über andere sprach, der seinen Schülern immer mit Rat und Tat zur Seite stand, ist dieser Abgang fast symptomatisch.“

 

EIN ÖSTERREICHISCHER MALER

„Was ich tue, muß ich ganz allein tun und was ich mir vorgenommen habe, tue ich ganz“, war ein von Pauser oft geäußerter Standpunkt. Nachdem der Weg in die Welt der Kunst von dem so zwiespältig veranlagten jungen Mann beschlossen war, verfolgte er ihn voll entschiedener Konsequenz. Schritt für Schritt verließ er die Versunkenheit seiner träumerischen Sinnbilder und wurde der Wirklichkeit mehr und mehr verbunden. Von seinen verinnerlichten Vorstellungen kommend, näherte er sich dem Menschen, bescheiden, mit einer gewissen Scheu, aber doch mit der echten Souveränität eines künstlerisch Schaffenden. Und als er in das jugendlich ungestüme Maskentreiben der Künstlerfeste gerät, macht er sie zwar als humorvoller Gesellschafter mit, doch seine Maskenbilder sind nachdenklich, melancholisch, als könne er den ernüchternden Blick hinter die Kulissen nie vergessen. Es fällt auf, daß Pauser die Demaskierung des anderen sieht, selber aber im Verborgenen bleibt und in seinen Bildern nie von ausgelassener Fröhlichkeit berichtet. Seine Kakteen stehen starr vor den Glastafeln des Atelierfensters, seine Blumen sind aus der Natur herausgenommen.

Es gehört zum Erfolg des Portraitisten Pauser, daß sich in seiner Kunst die Menschen erkennen und lieben dürfen, weil sie mit liebenden Augen gesehen und dann von ihm so dargestellt wurden. So wird Pauser vom Erfolg emporgetragen und auch verwöhnt, doch findet er später Mut und Kraft, mit seinem Schaffen unzeitgemäß zu werden.

Pausers Bibliothek war nicht groß. Er war zwar ein außerordentlich interessierter Leser, war mit den Werken der berühmtesten Dichter und Denker, auch der jüngsten Zeit, vertraut, doch wünschte er nur mit den Büchern zu leben, in deren Welt er sich immer wieder von neuem versenken wollte. Zu seinen Lieblingsautoren – so berichtete Angela Pauser in der „Furche“ vom 18. Dezember 1971 – gehörten außer Stifter, den er am meisten liebte, Dostojewskij, Musil, Thomas Mann, Gütersloh, Doderer, Lernet-Holenia, Gottfried Keller und Thomas Bernhard. Aus seiner Seele sprach ihm Adalbert Stifter etwa in den „Nachkommenschaften“ (1864). Hier hatte er ein Credo gefunden, dem er aus seinem Innersten zustimmen konnte: „ . . Macht nur die Wirklichkeit so wirklich, wie sie ist und verändert nicht den Schwung, der ohnehin in ihr ist, und ihr werdet wunderbarere Werke hervorbringen als ihr tut, wenn ihr Afterheiten malt, und sagt: Jetzt ist Schwung darinnen … „

Pauser befindet sich im Spannungsfeld zwischen Freiheit und Gebundenheit. Seine Verwurzelung in der Natur, der sich sein Wesen liebend verhaftet fühlt, nötigt zur unlösbaren Bindung an die Ähnlichkeit und an die Erkennbarkeit. Die verheißungsvolle Freiheit, die jeder Künstler in seinen schöpferischen Momenten empfindet, bildet das andere Extrem. Pauser wollte, wie Gütersloh meint, zwischen „Szylla und Charybdis“ hindurch, oder, so möchte man ergänzen, er verharrte zwischen beiden. Es war ihm nicht möglich, die Verantwortung jedem der beiden Extreme gegenüber abzustreifen; er wollte Kunst und Natur zur Deckung bringen. Das eine wäre der Weg in den elfenbeinernen Turm der Ästhetik gewesen, das andere Stümpertum. Der Konflikt blieb somit bestehen.

Dies aber ist das Schicksal eines österreichischen Menschen, der Tradition und lebendige Gegenwart in sich vereint, wie wir es ähnlich aus der Geschichte kennen. „Zudem gibts Lagen, wo ein Schritt voraus und einer rückwärts gleicherweis’ verderblich; da hält man denn sich ruhig und erwartet, bis frei der Weg, den Gott dem Rechten ebnet“, heißt es in Grillparzers tief empfundener Charakterstudie des „Bruderzwistes“.

Als sich vor dem in seiner Kunst gefestigten Pauser 1945 plötzlich die Welt des Abstrakten auftat, war er, wie wir aus einigen persönlichen Berichten wissen, zutiefst betroffen. Obwohl er in seiner Sensibilität die Dinge allerdings meist tragischer sah, als sie in Wirklichkeit waren, behielt er Haltung und suchte dem Andersartigen vor allem mit Verstehen zu begegnen, doch ohne dabei auch nur einen Zoll breit von seinem eigenen Weg abzugehen. Die Aufträge, die immer wieder an ihn herangebracht wurden, waren für ihn eine Verpflichtung und Berechtigung zu seiner Malweise, die ihn mit wahrer Freude erfüllte.

Pauser war in der Kunst kein Träumer, sondern ihrem Wesen gegenüber Realist. Sein Schaffen war ein Bekenntnis zum Jetzt, dessen sinnliche Schönheit er in Kunst zu verwandeln wußte und ihr dadurch Dauer gab, aber auch jene Tiefe, die neues Leben zu inspirieren vermag.

Wenn Pauser etwas rückhaltlos liebte, dann waren es die Landschaft, die Bäume, die Blumen, die Bauerngärten und das weite Hügelland, vor allem bei Waidhofen oder später in der Gebirgswelt um Traunkirchen. Er selbst trug dort den einfachen Lodenrock, richtete sich sachkundig eine Werkstätte ein, um dann mit viel Überlegung, Geschick und Hingabe sein Heim zu gestalten. Wenn er von einer Reise aus fernen Ländern zurückkam, konnte er sich gerührt und beglückt wie ein Kind am Grün der Heimat freuen. In seinen Bildern aber bevorzugte er den Herbst, den Vorfrühling, Dämmerung, Verlassenheit, Nebel und Regen. Er war schweigsam, als ob er ein Lebensgeheimnis zu verbergen hätte. Immer war er unterwegs; ein erreichtes Ziel ließ ihn sogleich von neuem Ausschau halten. Und so schenkte er den Menschen eine Kunst, die von ihnen als rein, ernst, schön, zart, diskret, keusch, feinfühlig und gütig empfunden wurde. Je weiter uns seine Lebenswelt entschwindet, umso mehr wird uns seine Bilderwelt kostbarer Besitz.