Regine Schmidt. Zur Ausstellung. Eine Einführung


Der Name des österreichischen Malers Sergius Pauser, seit Jahrzehnten präsent in Museen und Ausstellungen, ließ erst kürzlich erneut bei der großen Schau der „Neuen Sachlichkeit“ in Wien aufhorchen. Eine Retrospektive der Werke des Künstlers war vor zehn Jahren im Frauenbad in Baden zu sehen. Anläßlich seines 100. Geburtstages zeigt nun die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere einen Überblick über seine Ölbilder. Besondere Berücksichtigung fand bei der Auswahl der Bilder der Ausblick auf ein Ganzes, auf eine Gesamtschau von den Anfängen bis zum Spätwerk.

Aus der Fülle der Maler der Geburtenjahrgänge vor und um die Jahrhundertwende ragt Pauser durch seine ungewöhnliche Vielseitigkeit hervor. Sein außerordentliches Talent zum Porträtieren führte schon früh zu außergewöhnlichen Lösungen wie bei der „Dame in Weiß“ und zu Bildfindungen, die über die Repräsentation den Blick auf den Menschen selbst zu seinem zentralen Anliegen macht.

Das mitunter unerbittlich scharfe Auge des Porträtisten, das auch vor einem analytischen Blick auf schöne, junge Frauen und Kinder nicht Halt macht, wird weicher und geneigter vor dem Anblick von Blumen, denen es in kongenialer Weise huldigt.

Besonders zahlreich sind die Facetten seiner Landschaftsmalerei, thematisch und stilistisch: so verhalten, ruhig, mitunter kantig, sehr kühl, überaus klar viele seiner früheren Schöpfungen wirken, so opulent, sprühend, eloquent werden unter einem wahren Feuerwerk von Farbe viele seiner Spätwerke.

Durch südliche Wärme und anderes Licht läßt Pauer sich, besonders in Südfrankreich, zu reichen, reifen Landschaftsbildern bezaubern. Alle drei Fixpunkte seines Lebens, Waidhofen an der Ybbs, Wien und Klosterneuburg, werden von Flüssen bestimmt: in zahlreichen seiner Städtebilder kommt dem Wasser eine wesentliche Rolle in der Komposition zu, sei es das vom Meer geprägte Schanghai, sei es der weite Blick auf Paris mit der faszinierend blauen Seine, der traditionsreiche Blick vom Wiener Nußberg auf die Donau und ihre Brücken oder das vom Bosporus bestimmte Istanbul. Diesen weiten kosmopolitischen Stadtlandschaften, die Weltoffenes, Abendländisches offerieren, stehen ambivalente Wiener Landschaften gegenüber, die weit mehr von den Dingen wie Brücken, Schleusen oder Kähnen als von der Landschaft geprägt sind. Den Künstlern der Zwischenkriegszeit war beides eigen, der große, weit offene Weltatem – Vergleiche vor allem mit Kokoschka drängen sich auf – und die Flucht ins Bescheidene, Stille mitunter Engräumige, Häßlich-Bizarre: Herbert Boeckl malte so seine „Altberliner Häuser“, Maximilian Reinitz seine „Großstadtperipherie“, Franz Lerch den „Donaukanal“. Sergius Pausers Wiener Motive wie „Wurstelprater“, „Reichsbrücke von Osten“ und „Donaudampfer“ setzen sich mit der ambivalenten Wiener Atmosphäre in beinahe konkurrenzlos zu nennender Weise gleichzeitig überlegen, zugleich gefangen durch die ungeheure Penetranz des erdrückend Wienerischen auseinander. Die glücklich-freien Aquarellstudien inmitten heimatlicher Gegenden finden in dieser Weise kaum Umsetzung ins Ölbild.

Diese Ausstellung versteht sich als Überblicksschau von Pausers frühen Anfängen bis zum Spätwerk, wie bemerkt wurde. Aus seiner Münchener Studienzeit stammen die noch ton-dunklen Bilder „Frauenkopf“ und „Stilleben mit Kasperl“, von denen letzteres den Beginn einer weiteren reichen Facette in Pausers Œuvre markiert: der Kasperl, das unsterbliche Stehaufmännchen, wird in späteren Stilleben durch Masken und Larven ersetzt, die selbst wieder einen Wandel von schaufälligem Eigenleben zum integrierten Bestandteil des Stillebens zeigen (Vgl. „Stilleben mit Masken“, 1929, und „Blumen und Masken“, 1937).

Blumen und Pflanzen nehmen in Pausers Bildern eine besondere Rolle ein, eine erstaunliche Bandbreite ergibt sich vom starren, harten Kaktus in seinem Topf, der das abwartend stille, einsame Bild der „Dame in Weiß“ mit seiner geknickten roten Blüte in ein aufregendes sexuelles Abenteuer verwandelt, über die malerisch reiche Pracht der „Blumen in zwei Vasen“ (1930) zu der freien Schönheit der „Sommerblumen“, die über ihre Vasenenge weit hinausleben.

Blumen, Landschaften, Porträts, Stilleben, dazu der große Bogen von der kargen Frühzeit der Neuen Sachlichkeit bis hin zur befreiten Farbigkeit des opulenten Spätwerks: die Ölmalerei Sergius Pausers zeigt so viele Facetten, daß das Umfassende dieses Werks nur in Beispielen faßbar werden kann. 

Aus dem Katalogtext zur Ausstellung Sergius Pauser in der Österreichischen Galerie, Belvedere, Wien, 1996