Theater und Kunst. "Sezession".

Neues Wiener Abendblatt
15 Dezember 1927


Den Arbeiten des Wiener Malers Sergius Pauser ist immer eine ganz eigene Modernität zuzuerkennen; vornehme zurückhaltende Schlichtheit zeichnet sie jedesmal aus. Es ist eine linienstrenge sachliche Gelassenheit  in ihnen, dabei eine Noblesse des Tones, die ungemein anziehend sind. Fast wäre man versucht, ihre Wirkung als musikalische zu bezeichnen. Strenger fugierter Satz. Gemalter Kontrapunkt. Doch ohne klügelnde Nüchterheit, berechnende Trockenheit. Das edle Frauenbildnis ist von seelenvollstem Ausdruck. Der Blick von unten herauf drückt melancholisches Sinnen, vertieftes Hineinhorchen in sich selbst, überzeugend aus. Die groβe Umriβlinie ist wie eine melodische Kurve. Und sie hat den langen Atem einer sehr süβen Melodie. „Casta diva“ klingt es wie aus der Ferne herüber…. Diese ernste Frau lebt und webt in einer kaum möblierten, rein geometrischen Klausur. Ein Kaktus, den wir schon von früheren Bildern Pausers kennen, er liebt offenbar diese stacheligen Pflanzen, dient weder als „repoussoir“ als Zurückstoβer, als Tiefenbringer. Doch auch ein zweites Werk des Künstlers ist von gröβter Reife und Süβe, und man mag sich seiner ebenso rein genieβend erfreuen, wie des „Bildnisses“. Ging das Porträt (ach, wie meilenfern ist es doch von allem, was man wohl sonst gemeiniglich als „Porträt“ bezeichnet!) vielleicht auf frühe Florentiner zurück, bei aller wohlgewahrten Eigenart selbstredend, so ist hier eine kleine, schon in der Wahl des Motivs gelegene Reminiszenz nicht abzuweisen und Manets weltbekannter schreitender Harlekin taucht im Gedächtnis des Auges herauf. Was hat sich nicht seither alles verändert, seit dieses Bild unerhört neu war, und revolutionierend wirkte, die Gemüter bewegte und erregte! Hier alles beruhigt mit beherrschter kühler Gelassenheit erledigt, die aber keineswegs als temperamentlos zu bezeichnen ist. Sergius Pauser weiβ, was er will, wohin er zielt.  Er ist der Besonnensten einer. Unter den in jüngster Zeit Heraufgekommenen zählt er zu Begabtesten und Sympathischesten, ein durchaus Redlicher, der nicht posiert und nicht affektiert, nicht blufft und blendet, sondern seines guten geraden Weges beschaulich dahinwandelt, unbeirrt vom Beifall oder Miβfallen der Allzuvielen. Nicht ohne feine kleine Unterbedeutung ist es vielleicht, daβ er sich just den stachligen Kaktus zu seiner Lieblingspflanze auserkor. Wir hoffen bestimmt, ihn bald in voller Blüte zu sehen, die ernste, stille, würdevolle Opuntia des jungen Meisters Sergius Pauser.

Neues Wiener Abendblatt

15 Dezember 1927